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Marten Kantus: Male

Stil: Ein männliches Instrumentalalbum, das besonders auch Frauen hören sollten!

Cover: Marten Kantus: Male

Heute ist der 8. März 2011 – darum herzlichen Glückwunsch allen Frauen zum Internationalen Frauentag. Lasst euch feiern, liebe Frauen, vertraut auf eure Selbstbestimmung und glaubt nicht an Quoten, sondern an euch selbst! Dazu könnte auch gehören, dass ihr einem musikalischen Mann „mal ein Ohr schenkt“ und das Album „Male“ von MARTEN KANTUS hört, der es euch im Gegenzug sogar zum kostenlosen Download auf seiner Homepage schenkt!

Allen „Quoten-Frauen“ aber eine WARNUNG im Voraus – und diese WARNUNG meine ich verdammt ernst!

Diese CD-Besprechung von „Male“ wird alle ALICE SCHWARZERs und krankhaft predigenden Hardcore-Emanzen unseres Quoten-Deutschlands, dessen oberste Dame auf haargegelte Lügen-Barone statt auf Ehrlichkeit und Menschenverstand baut, entsetzen, erschüttern und mit missverstandenem Hass gegen den Musiker und Kritiker erfüllen. Liebe Emanzen und quotengeile, LEYENhafte Predigerinnen, verkneift es euch, die folgenden Zeilen zu lesen. Solltet ihr es doch tun, dann bitte sagt nicht, ich hätte euch nicht vorher gewarnt. Aber eins verspreche ich euch, jeder Kommentar, der vielleicht dieser Kritik folgen sollte, wird von MARTEN KANTUS und mir ertragen und nicht gelöscht. Denn hier schreibt keine Quotenfrau, sondern ein selbstbestimmter Mann, der langsam, aber sicher keine Lust mehr hat, sich im öffentlichen Dienst ständig dafür entschuldigen zu müssen, dass er obenrum zu wenig und untenrum zu viel hat. Ein Typ, der eben bei Bewerbungen genau über solchen Satz nachdenkt, wie „Frauen und Behinderte werden bevorzugt berücksichtigt!“

Diese Kritik wird sich zu musikalischen UND philosophischen Höhen aufschwingen, nur weil eine Frage des Kritikers an den Musiker im Vorfeld dieser Besprechung eine unglaubliche Reaktion des Musikers auslöste. Der Mann ist nicht nur Multiinstrumentalist, sondern auch ein tiefgründig denkender und philosophisch faszinierender Zeitgenosse – der polarisiert und überzeugt. Mich zumindest hat er überzeugt. Diesmal aber nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seinen Ansichten. Ansichten, die ich im Vorfeld sogar als recht bedenklich eingestuft hatte.

Wer „Male“ in den Händen hält, wird sich wahrscheinlich die Frage stellen, vorausgesetzt, er betrachtet das Cover genauer, wer denn dieser OTTO WEININGER ist, in dessen Gedenken dieses Album entstand. Ich zumindest tat dies, noch bevor ich das erste Mal in „Male“ hineinhörte. Auch auf seiner Homepage weist Marten Kantus gesondert darauf hin, dass, wer dieses Album richtig verstehen möchte, doch ruhig mal ein paar Zeilen von Otto Weininger lesen sollte.

Als ich unter Wikipedia nach Weininger suchte, erhielt ich zu meinem Entsetzen Informationen, die mich etwas erschütterten. Weininger (1880 – 1903), der sich mit 23 Jahren das Leben nahm, war ein Wiener Philosoph und Jude, der sich radikal vom Judentum abwandte und dessen Hauptwerk „Geschlecht und Charakter“ sich angeblich durch „extreme, frauen- und judenfeindliche Theorien“ auszeichnet. Ähnlich extrem erschien wohl auch seine Selbsttötung, für die er sich extra in das Sterbehaus von Ludwig van Beethoven begeben hatte, um sich dort eine Kugel ins Herz zu schießen. Sein ganzes, kurzes Leben schien sich um die „Theorie der menschlichen Bisexualität“ zu drehen.

Als ich das alles las, wurde mir eins bewusst: MALE ist nicht nur Kantus’ Musik, sondern auch eine klingende Philosophie. Judenfeind? Frauenhasser? Wie konnte Kantus solch einem Typen das Album widmen? Ich war völlig befremdet und mit einem gewissen Vorwurf versehen verfasste ich eine Mail an Marten Kantus, in dessen Grundtenor die Frage eingebaut war: „Wie konntest du nur so einem Mann dein Album widmen!?“

Zwischenzeitlich hatte ich natürlich auch das Album gehört und für richtig gut befunden, was auch daran lag, dass die Gitarre erstmals die totale Dominanz auf „Male“ besitzt und Kantus’ eine Art des Gitarrespiels aufweist, die dem frühen MIKE OLDFIELD in nichts nachsteht. Bereits beim „Wettlauf der Spermien“ gibt sie unverkennbar die Richtung vor.

Nur darf ich, der jedes Mal schon beim Hören solcher Begriffe wie „Jude“ oder „Frauenhass“ ein schlechtes Gewissen bekommt, solch ein Album überhaupt mögen und besprechen? Müsste ich nicht vorwurfsvoll bei Kantus eine musikalischen Quote einfordern, getreu dem emanzipierten Sinne: „Also, wenn du schon ein Album ‚Male“ nennst, dann bringe gefälligst auch eins raus, das ‚Female’ heißt! Du musikalischer Macho und Antisemit!“?

Sollte ich nicht gerade am Internationalen Frauentag genau den gleichen Schwachsinn wie eine Angela Merkel von mir geben, die tatsächlich öffentlich äußert, „Deutschland gehört zu den Letzten in der Welt, wenn es um den Anteil von Frauen in den Führungspositionen der Wirtschaft, insbesondere bei den großen Unternehmen, geht.“ Wortwörtlich lässt diese Frau, die die höchste Position im Staate besitzt, solchen Käse vom Stapel, den man sich auf ihrer Videobotschaft zum Internationalen Frauentag anhören kann. In der Welt? Wie bitte? Frau Merkel sollte mal anfangen, Otto Weininger zu lesen. Die Welt besteht nicht nur aus riesigen Wirtschaftsunternehmen, sondern besonders auch aus einer Dritten Welt, China oder einem Islam, wo die Frau nichts zählt, oder anderen Religionen und Diktaturen, in denen man nicht nur Frauen, sondern tatsächlich auch Männer unterdrückt. Diese Welt besteht aus Menschen, die man geißelt, bevormundet, quält, steinigt oder sonstwie unterwirft, aber nicht aus ein paar großen Wirtschaftsunternehmen, die ihrer Quotierung nicht nachkommen! Sie besteht aus Kindern, die vor Hunger sterben, weil große Wirtschaftsunternehmen, egal wer diese leitet oder trägt, eine profitable Ausbeutung vorantreiben – und die Politik schaut zu und faselt über Quoten. Und wenn man schon so eifrig nach Quoten ruft, Frau Merkel, dann bleiben Sie doch in Deutschland mal im Sektor von Bildung und Erziehung, wo wir unbedingt einer Quote bedürfen, aber einer Männer- und keinesfalls Frauenquote! Wo sind denn dort die Gleichstellungsbeauftragten geblieben? Na ja, es geht ja „nur“ um Bildung, nicht wahr?

Es ist verblüffend, solche Gedanken gehen einem doch tatsächlich durch den Kopf, während der Titel „Misogyny“ läuft, der sogar ein wenig nach jüdisch traditioneller Musik klingt. Gleich versteht man auch die Worte von Marten Kantus, der zu seinem Album schreibt: „Meine Musik ist hier weniger atmosphärisch, sondern bezieht sich auf die guten alten Zeiten des Progressive Rock. Der Fokus liegt auf der Gitarre und auch das Schlagzeug erhält deutlich mehr Spielraum.“ Ja, solche Musik hören wohl fast nur Männer, sogar am Frauentag! Nur ist nicht auch das schon wieder ein Klischee? Solche Musik hören Menschen, die das ewiggleiche Radioformat deutlich satt haben, egal ob Frau oder Mann und die auf die schwachsinnigen Musikideale, die ein Dieter Bohlen predigt, pfeifen! Menschen eben, die Musik noch immer als Kunst verstehen und nicht als Hintergrundbeschallung!

Damit wären wir wieder beim Berliner Multiinstrumentalisten, der auf meine „befremdliche“ Frage eine Antwort schrieb, die mich schwer beeindruckte und die ich hier auszugsweise zum besten geben muss: „Ich habe ‚Geschlecht und Charakter’ schon vor ewigen Zeiten kennengelernt, eher innerhalb des feministisch-kritischen Diskurses über Weininger. […] In seinem Werk ist auch der typische Ton der Jahrhundertwende drin, der sehr grimmig ist. Das spricht mich nun wirklich nicht an. Mein Interesse gilt heute eher dem Nachdenken über Kunst (und Musik) und Geschlechtlichkeit. Und da finde ich Weininger nach wie vor sehr inspirierend (und eben auch auf der Höhe der Zeit). Dem Zusammenhang zwischen Sexualität und Musik z.B. sind noch nicht so viele Denker nachgegangen, obschon er jedem Musiker-von-Herzen einleuchtet.
Auch andere Denker […] oder heutige Neurowissenschaftler (z.B. Baron-Cohen) sind über die Tatsache gestolpert, dass Frauen in manchen Kunstgattungen (etwa der Musik) keinerlei bedeutenden Werke geschaffen haben und bis heute nicht schaffen. Das ist erstmal nicht diskriminierend gemeint, sondern ein Befund. […] Heutige Befunde zeigen auch viele hirnanatomische und physiologische Unterschiede auf. Das typische ‚weibliche Gehirn’, vereinfacht gesagt, tendiert nicht so zum Erfinden von Systemen wie Musik, Architektur (oder bestimmte Formen der Technik).“

Das ist nun nicht unbedingt das „Ei des Kolumbus“, aber genau an diesen Erkenntnissen sollte man doch endlich zwingend zu dem Schluss kommen, dass unbedingt in Bildung und Erziehung ein ausgeglichenes Verhältnis von Mann und Frau umgesetzt werden muss. Die Justiz hat das längst erkannt und darum sitzen im Jugendgericht immer ein Mann und eine Frau als Schöffen vor dem jugendlichen Delinquenten, weil unsere Blickwinkel, rein geschlechtlich betrachtet, doch sehr unterschiedlich sind.

Und während ich diese Zeilen gerade niederschreibe, läuft mir zwar nicht der „Schweiß“ von der Stirn, aber besagter Kantus-Titel im CD-Player. Wieder beginnt er mit einer an Oldfield erinnernden Passage, druckvoll und mit treibendem Schlagzeug instrumentiert. Sehr progressiv eben. Dazu kommt nach knapp zwei Minuten noch eine Violine ins Spiel, die „Sweat“ in Richtung MAHAVISHNU ORCHESTRA treibt. Große Klasse der Song!

Weiter geht es mit „Male To Male“, ein ruhiger, von Piano und akustischer Gitarre lebender Titel. Dazu lese ich dann den Satz von Kantus, dem ich nunmehr leidenschaftlich zustimme: „Man könnte Weininger auch als Wegbereiter der Männeremanzipation begreifen, ein Projekt, das ich ebenso sinnig finde wie die (weit fortgeschrittene) Emanzipation der Frau.“

Genau hier liegt doch der weibliche Hase im rammelnden Pfeffer begraben. Emanzipation ist zum Begriff verkommen, den wir immer nur mit Frauen in Verbindung bringen und dabei ganz vergessen, dass es längst in unserer Gesellschaft Bereiche gibt, in der sich auch die Männer emanzipieren müssten, es aber bei dem ganzen, leider zu oft übertriebenen Feministinnengefasel noch nicht mal zur Sprache bringen können. Her mit einer Frauenministerin – die Männer haben keinen Anspruch auf einen Männerminister. Wie selbstverständlich wird diese Tatsache gesellschaftlich akzeptiert – von Frauen UND Männern! Ist es wirklich das Geschlecht, das zählt – oder nicht doch besser die Leistung jeder/jedes Einzelnen?

Womit wir männlichen Eumel bei „Oymel“ wären. Gitarre, düstere Keyboardfläche, Violine – doch diesmal werden sogar Erinnerungen an PINK FLOYD wach. Sowas mögen wir Männer! Und hoffentlich auch ganz viele Frauen!

Nur muss man deswegen auch ein Weininger-Anhänger sein? Auch hierfür hat Marten Kantus eine Antwort: „Ich bin kein Weininger-Anhänger, aber ich finde einzelne Kapitel aus ‚Geschlecht und Charakter’ sehr interessant (z.B. IV: Begabung und Genialität; VI: Gedächtnis, Logik, Ethik; XI: Erotik und Ästhetik). Ich denke, dass man, gerade im Anblick von kulturellem Stillstand, sich mit dem radikalen Denken der frühen Moderne befassen sollte und meine, dass Weininger ein exemplarisch Gescheiterter ist, der durchaus mal wieder gelesen werden darf. Daher also die Widmung.“

Übrigens kann jeder, bei dem vielleicht durch die Musik oder diese Kritik ein wenig Neugier auf Weiningers Werk geweckt wurde, dieses komplett im Internet (z.B. über Wikipedia) als pdf-Datei herunterladen.

Womit wir auch schon bei dem achtminütigen „Why Chromosome“ wären. Akustische Gitarre, Bass, Piano – alles ziemlich verträumt, bis das Schlagzeug einsetzt, den Titel vor sich her treibt und bombastisch, leicht jazzig wird. Am Ende aber kehren wir wieder zurück, entspannen uns bei ein paar Flötentönen und fragen uns nach dem „Warum?“, das hinter diesem Album steckt. Na ja – und die nicht gerade kurz ausgefallene Antwort gab es hier zu lesen.

FAZIT: Das überlasse ich voll und ganz dem Musiker:
„Auf ‚Male’ beschäftige ich mich mit verschiedenen ‚Domänen’ des Männlichen (etwa der Bildhauerei und/oder Raumfahrt auf ‚Apollo’, der Seefahrt in ‚North Harbour’, dem Leistungssport und der harten körperlichen Arbeit in ‚Sweat’ oder dem zölibatären Klosterleben in ‚Ethos’). Als ich mich fragte, welche Klammer denn um all diese Themen gelegt werden könnte, fiel mir auf, dass es immer um radikalisierte, extreme Formen von Männlichkeit und um ‚exclusive’, esoterische Zirkel von Männern geht. Und dann fiel mir Weininger wieder ein. Ich fand es naheliegend, ihm die Platte zu widmen, auch weil er selber so tragisch an seinem Denken (und seiner gebrochenen ‚Männlichkeit’) gescheitert ist (und sich ja schließlich auch deshalb suizidiert hat).

PS:
Bei der Festlegung meines Punktwertes habe ich mich erstmals nicht nur von der Musik auf diesem Album, sondern auch von der Philosophie, die dahinter steckt, beeinflussen lassen. Es war mir eine große Freude und ein großes Glück, dass mich „Male“ so neugierig gemacht hat und dass Marten Kantus meine Neugier dermaßen tiefgründig befriedigte. Hier scheint sich tatsächlich der Geist eines hervorragenden Musikers auf den Geist eines nachdenklichen Kritikers übertragen zu haben. Und jedes Mal, wenn ich „Male“ höre, werden meine Gedanken zu einem Weininger und den Ansichten eines Marten Kantus abschweifen – in dem Bewusstsein, dass wir das Album „Female“ wirklich nicht nötig haben, außerdem gibt es ja von Marten Kantus schon das Album „Catwalk“, was typisch Weibliches. Auch dieses Album ist wirklich gut – und man mag es kaum glauben, aber es ist der Nachfolger von „Male“!

Herzlichen Glückwunsch zum Internationalen Frauentag, sagen die beiden musikalischen Gleichstellungsbeauftragten MARTEN KANTUS & THORALF KOSS!

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.03.2011

Tracklist

  1. Sperm Race
  2. Apollo
  3. North Harbour
  4. Sweat
  5. Male To Male
  6. Misogyny
  7. Oymel
  8. Ethos
  9. The Why Chromosome

Besetzung

  • Bass

    Marten Kantus

  • Gitarre

    Marten Kantus

  • Keys

    Marten Kantus

  • Schlagzeug

    Marten Kantus

  • Sonstiges

    Marten Kantus (Violine, Melodica & Akkordeon)

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb als Gratis-Download

  • Spieldauer

    43:06

  • Erscheinungsdatum

    21.05.2006

© Musikreviews.de