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Es gibt in den Vitae von Bands und Musikern zuweilen interessante Parallelen. Zum Beispiel führt die Reise oftmals von stilistisch noch nicht völlig ausformulierten, aber in ihrer spontanen Rohheit überaus energischen Debüts über mehrere Phasen der musikalischen Selbstfindung zu einer schließlich klar definierten, kreativen Handschrift. Dabei werden manchmal radikale Brüche vollzogen, andere favorisieren kontinuierliche Weiterentwicklungen und Detailmodifikationen. Und einige Musiker machen irgendwann, wenn sie das Pulver ihrer Inspiration verschossen haben, ein Werkschau-Album. Sie behaupten dann gern, die stärkste, weil sämtliche Zutaten beinhaltende Platte ihrer Karriere abgeliefert zu haben. Das stimmt selten, meistens bekommt man es mit zweitklassigen Aufgüssen ehemals erstklassiger Ideen zu tun.
In Teilen kann man MASTODON in dieser Gruppe wiederfinden. Die erste EP war eine brutale Maulschelle, auf folgenden Veröffentlichungen wurde dann immer mehr Wert auf Melodien, clevere Arrangements und die generelle Erweiterung des Bandspektrums gelegt, besonders Richtung 70er Jahre. Gelungen ist das bisher durchweg, welche Phase man bevorzugt, bleibt Geschmackssache. Mir persönlich etwa gefällt „Crack The Skye“ überhaupt nicht – zu wenig Druck, teilweise ziellos wirkender, für meine Ohren wenig nachhaltiger Normalo-Progrock und insgesamt eine allzu polierte Anmutung verwässerten zu sehr das, wofür ich die Band liebe. Deswegen ist das Album nicht schlecht, für sich genommen sogar ziemlich stark; eben Geschmackssache.
Was ist nun von „The Hunter“ zu halten? Es gibt Tendenzen zum bereits angesprochenen Werkschau-Album, doch sind MASTODON als Songwriter zu gut, um die Scheibe uninspiriert veröden zu lassen. Zunächst haben die Jungs aus Atlanta ihre Kompositionen wieder gestrafft, mit Ausnahme zweier Songs bleiben alle unter der 5-Minuten-Marke, und das zum Teil sehr deutlich. Der Angeberfaktor wurde ebenso ein wenig nachjustiert, so dass besonders Brann Dailor wieder mehr Gelegeheit hat, in seiner charakteristischen Art und Weise über alle Pötte zu donnern. Die Straffheit erinnert an „Remission“, wenngleich weder dessen Brutalität noch der Spieltechnikshowdown vollends rekapituliert werden. Dazu hat man sich in den Jahren seit „Blood Mountain“ im Spannungsfeld „aufwändiger, aber überschaubarer Rocksong“ zu wohl gefühlt. Stimmlich wird die Truppe immer besser, so dass man sich nach wie vor im gesungenen Umfeld bewegt, laut wird man nur zur gelegentlichen Unterstreichung. Soviel zu den objektivierbaren Dingen.
Aber wie wirkt sich das Ganze auf die Gefühlswelt aus? Gleich im ersten Durchgang ist man versucht, ein lautes „Hurra“ in die Welt hinaus zu schmettern, denn die Platte beginnt mit zwei echten Paukenschlägen namens „Black Tongue“ und „Curl Of The Burl“. Wie beschrieben sind die Songs kompakt, gehen aufgrund der tollen Gesangsmelodien, Riffs und Harmonien sofort ins Ohr und bieten trotzdem unzählige Momente zum Aufhorchen für die Muckerpolizei. Durch die kürzeren Stücke und in Verbindung mit dem Cleangesang klingen MASTODON 2011 noch mehr nach dem Jahrzehnt der großen Rockbands und haben dem auch mit dem wunderschönen Sound Rechnung getragen, der warm und voll tönt, ohne jedoch, wie auf dem Vorgänger, alles platt zu produzieren, was Lärm macht. Und es gibt sogar noch diverse weitere, auf Anhieb offensiv brillante Lieder wie das famose Eröffnungs-Doppel. „Octopus Has No Friends“ etwa rührt beinahe zu Tränen, während „Bedazzled Fingernails“ aufgrund seiner fast außerweltlich-entrückten Melodik gar zu den Sternstunden und besten Songs der Band zählt. MASTODON sind natürlich schon konzeptionell über Singlehits erhaben, so lädt die ganze Platte zum Schwelgen, Mitsingen oder Sezieren unter dem Kopfhörer ein, je nach Hörgewohnheiten.
Im Unterschied zu vielen anderen Bands lösen MASTODON das Versprechen ein, durch Bündelung ihrer stilistischen Merkmale auch wirklich ihre Stärken zu bündeln. Ob sich nun nach weiteren Durchläufen noch weitere Hits ergeben, bleibt abzuwarten – ebenso wie die qualitative Einordnung von „The Hunter“ ins das Gesamtwerk. Eine Scheibe dieser Band lässt sich einfach unmöglich fünf Tage nach Erscheinen (und nach nur zwanzigfachem Hören) abschließend bewerten.
FAZIT: MASTODON machen zum ersten Mal in ihrer Karriere nichts für sie Neues, rekombinieren aber ihre Stilmittel souverän bis genial. Vermutlich werden das ebenso viele Leute gut wie schlecht finden, ich bin vorläufig mit den Jungs versöhnt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.09.2011
Troy Sanders
Troy Sanders, Brent Hinds, Brann Dailor
Brent Hinds, Bill Kelliher
Brann Dailor
Roadrunner
53:01
23.09.2011