Verzweiflung, Einsamkeit, Kälte. Diese Eindrücke fliegen einen an, sobald der Opener dieses begnadeten Albums Fahrt aufnimmt. Empfindungen, die das gesamte Album durchziehen. Komponist Mitch Harris (NAPALM DEATH) sagte einmal im Interview, dieses Album sei in der schwierigsten Zeit seines Lebens therapeutisch gewesen, er hätte sich wahrscheinlich umgebracht, hätte er nicht dieses zutiefst nihilistische, musikalische Ventil gefunden, um seine Dämonen zu bekämpfen – oder sie zumindest aus sich sprechen zu lassen. Das Dunkle, das Ausweglose hört man nicht nur mit jeder Note, es schlägt sich auch in Sound und Artwork nieder. Letzteres ist zwar betont hell, doch von verstörenden Ultraschall- und fotografischen Aufnahmen von Föten und ihren Körperteilen geprägt. Hat er ein Kind verloren oder die dazugehörige Frau?
Alone I lie, cold misconstrued, my grip is lost.
Beides scheint möglich, die Texte handeln von Verlust und Furcht im Allgemeinen, sie werden von Trevor Peres (OBITUARY) in einer ungewohnten Rolle als Sänger markerschütternd kaputt geschrien, erzählt, geflüstert und durch Effekte verzerrt. Hier gibt es keine Hoffnung. Alles ist verloren und bleibt verloren.
My infinity, or so it fucking seems, to never fucking change, never fucking changing…
Davon künden auch das grandiose, mal an ND erinnernde, mal dissonante Gitarrenspiel, die niederdrückend massiven Grooves von Donald Tardy (OBITUARY) und die treibenden Samples von Shane Embury (NAPALM DEATH). Dabei ist die Scheibe mindestens ebenso eingängig wie musikalisch einzigartig und im Ausdruck fertig. Und natürlich perfekt tight gespielt. Songs wie „Famine Sector“, „My Infinity“, „Day Of Conceiving“ oder „Cling To An Image“ reißen einen mit in Harris‘ seelische Abgründe, haben auf den geneigten Hörer aber auch die gleiche, bei aller Finsternis wundersam kathartische Wirkung. Denn wer von diesem Monster plattgewalzt wurde, ist hinterher ein anderer. Mag die Düsternis auf der Platte auch absolut sein, wenn der letzte Ton verklungen ist, wird es heller. Die Realität scheint weniger bedrohlich, wenn man nachvollzogen hat, womit Harris sich im Jahre 1993 quälte; man ist einfach froh, dass es nicht einen selbst erwischt hat.
Death Drums Beat!
FAZIT: Eine einmalige Kombination verschiedener Talente, ein brutal negatives Konzept, eine völlig eigene, hypnotische Atmosphäre. Diese Platte steht musikhistorisch für sich allein, was auch das zweite MEATHOOK SEED Album beweist. Hier hatte Harris die Talsohle offenbar durchschritten, klang es doch um einiges lebensbejahender. Mag es auch zynisch klingen, als Freund der „besonderen“ Scheibe muss man froh sein, dass es ihm damals so dreckig ging.
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.03.2011
Mitch Harris
Trevor Peres
Mitch Harris
Donald Tardy
Shane Embury - Samples
Earache
46:29
10.03.1993