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Next Life: Artificial Divinity

Stil: Instrumental Metal

Cover: Next Life: Artificial Divinity

Vor ein paar Jahren machte Hai Nguyen Dinh schon im Zuge der ersten 8-Bit-Hartzeichner von sich reden, jetzt meldet er sich mit dem zweiten Langspieler von NEXT LIFE zurück und beweist: Es gibt ein besseres, ernsthafteres Leben nach Nintendo-Core und all dem Käse …

Das Dutzend kurzer Fundstücke auf diesem "Album" (siehe Gesamtlänge) besticht durch tolle Stimmung, statt über Effekthascherei ein paar schnelle Fans und ebenso fix wieder mit Ignoranz strafende ADHS-Hörer zu rekrutieren beziehungsweise abzuwimmeln. "Lightning Accelerator" und "Climbing Walls" sind nach dem Intro-artigen "Back To The Abyss" (SLAYER gehört, oder was?) sehr atmosphärische, wiewohl knallharte und trotz aller Zischerei auf Gitarren und echten Drums (!) beruhende Stilblüten mathematischer Instrumentalmuse, die man nicht stussigerweise Djent nennen muss, um sie jungen Hörern am digitalen Puls der Zeit nahezulegen.

"Blade Of Courage", man glaubt es kaum, versprüht Epik und Gefühl in einem kurzen Zeit- wie begrenzten Stilfenster. Tolle Steigerung zum Ende hin hier, doch dann wird's erst einmal unnötig mit den drei folgenden Geräuschorgien. "Infinite Time" endlich erinnert in seinem Minimalismus - Stichwort mantrisch wiederholtes Schlepp-Riff - an Post-irgendwas-Bands, auch und nicht zuletzt dank der stiltreuen Schlieren, welche die Saiten sogleich ziehen. Kollegen würden den Track wahrscheinlich ebenso genretreu für sich gleich über zehn Minuten hin ausdehnen. Die kurze Würze von NEXT LIFE nimmt ebenfalls für den skandinavischen Entwurf von C64-Hartmucke ein, ganz zu schweigen wie angedeutet eben von der Dynamik ("Re-Animated") und Emotion der Songs. Hier wurde nicht rasch etwas zusammengestückelt und ungeschlacht mit einem Drumcomputer zuprogrammiert, sondern Raum gelassen und tatsächlich mit Köpfchen komponiert. Man höre auch: "Anti Matter" (energischer Thrash-Entwurf mit Morsealphabet) und "Divine Encounter", eine Begegnung des fast traditionellen Progressive Metal mit angestaubten SIDs, die der Protagonist ganz sicher zuhauf daheim herumliegen hat.

Mit dem träumerischen Outro dienen NEXT LIFE sich gleichsam imaginären Filmregisseuren als Soundtrackschreiber an. Der passende Streifen müsste Cyberpunks eine Liaison mit Neuzeit-Kutten eingehen lassen. Tolles, kurzes Fest, diese Platte, die ganz angenehmerweise gar nicht für LAN-Parties geeignet ist; vielmehr kann man sie voll druchlaufen lassen, bis der alte Commodore "Friday the 13th" geladen hat!

FAZIT: NEXT LIFE begeistern oft, wirken nie beliebig. Es wäre schön, könnte die Combo die positive Wahrnehmung harter Musik, die auf Vintage-Soundprozessoren fußt, ein wenig fördern, denn "Artificial Divinity" klingt nachhaltig und menschlich, als solches also greif- und vor allem ohne Zuckungen hörbar. Grauen Kasten abstauben und einschieben - ob ins Disketten- oder Kassettenlaufwerk … Vielleicht lässt sich durchaus noch mehr auf diesem Feld erreichen, als man bislang angenommen hat. Wenn MACHINAE SUPREMACY poppig zum Erbrechen anregen, ist das hier der real deal.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.07.2011

Tracklist

  1. Back To The Abyss
  2. Lightning Accelerator
  3. Climbing Walls
  4. Blade Of Courage
  5. Nuclear Winter
  6. Living Dead Forest
  7. Moonlight
  8. Infinite Time
  9. Re-Animated
  10. Anti Matter
  11. Divine Encounter
  12. Colors Fading Out

Besetzung

  • Gitarre

    Hai Nguyen Dinh

  • Keys

    Tormod Christensen

  • Schlagzeug

    Anders Hangård

Sonstiges

  • Label

    Fysisk Format / Cargo

  • Spieldauer

    20:27

  • Erscheinungsdatum

    17.06.2011

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