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Nightwish: Imaginaerum

Stil: Symphonic Metal

Cover: Nightwish: Imaginaerum

Bitte beachtet auch unser <a href="http://goo.gl/iIqLU">NIGHTWISH Massen-Review</a> unter den Kolumnen!

NIGHTWISH-Album Nummer zwei nach dem Wechsel auf dem Posten der Frontfrau zeigt vor allem zwei Dinge auf: Tarja Turunen mag zwar im Vergleich mit Anette Olzon die spektakulärere Sängerin sein, der Erfolg von NIGHTWISH ist ihr aber viel weniger zuzuschreiben, als Tuomas Holopainen, dem musikalischen Kopf der Finnen. Bewiesen wird diese These damit, dass Tarjas Solokarriere nicht ohne Grund eher schleppend läuft, während NIGHTWISHs Erfolgskurve weiter nach oben zeigt - und man mit "Imaginaerum" ein absolutes Highlight in die beeindruckende Diskografie einreiht. Zweites auffälliges Merkmal ist die Bombastkeule, die hier mal wieder geschwungen wird. Dagegen wirkt das Bemühen anderer Symphonic-Metal-Bands wie ein Stupser mit einem dünnen Ästchen, Holopainen hingegen haut den Hörer mit der Wucht seiner Kompositionen und Arrangements einfach um.

Inzwischen hat Tuomas sein Songwriting auch komplett auf Anettes Stimme ausgerichtet, Songs und Gesang passen perfekt zueinander. Anette wiederum überrascht mit einer Variabilität, die man ihr nicht unbedingt zugetraut hätte. Gleiches gilt für Marco Hietala, der ebenfalls ganz neue Ausprägungen seiner Stimme präsentieren darf. "Imagninaerum", für das bekanntlich auch ein vier Millionen Euro teurer Film gedreht wurde, ist in ein loses Konzept eingebunden, das sich dem Leben und der menschlichen Vorstellungskraft widmet, es geht um Liebe, Unschuld und das Gute im Menschen, aber auch um die zauberhafte Schönheit unserer Welt. Musikalisch umgesetzt auf spektakuläre Art und Weise, die einerseits alle typischen Trademarks von NIGHTWISH inne hat, aber auch mit den wichtigen Neuerungen aufwartet, die es braucht, um nicht auf der Stelle zu treten.

Eine Spieluhr wird aufgezogen und lässt ihre traurige Melodie erklingen, dann beginnt Marco sanft und auf finnisch zu singen. So fängt "Imaginaerum" mit "Taikatalvi" an, es folgen akustische Gitarrenklänge und langsam setzen die symphonischen Elemente mit einer Melodie zum Niederknien ein. Flöten sorgen für folkloristische, naturnahe Atmosphäre und mit Gänsehaut erzeugenden Chören steigert sich der Introsong und geht nahtlos in "Storytime" über. Der vorab als Single ausgekoppelte Song ist ein typischer NIGHTWISH-Hit, eingängig, flott und mit einem Refrain, den man wochenlang nicht mehr aus dem Schädel bekommt, egal wie sehr man sich dagegen wehrt. Die latent düstere Atmosphäre deutet schon an, was noch auf diesem Abum passieren wird. "Ghost River" beginnt mit einem ganz ordentlichen Riff, was eine Ausnahme darstellt, denn die Gitarren nehmen keine tragende Rolle ein, sondern sind nur ein Instrument unter vielen. Im recht harten Song duelliert sich Anette mit Marco, der seine garstige Stimme auspackt und einen ungewöhnlichen Refrain singt. Später wird sein Part teilweise von einem Kinderchor übernommen - NIGHTWISH lassen in Sachen Kitsch wirklich nichts außen vor. Die erste dicke Überraschung folgt dann mit "Slow, Love, Slow", einer sanften Barjazz-Nummer, bei der Anettes Gesang ein wenig an Sam Brown erinnert. Trotz der später einsetzenden Gitarre hat das freilich nicht mehr viel mit Metal zu tun - was aber nicht weiter stört, im Gegenteil.

Wem das zu ungewöhnlich war, der wird schnell wieder versöhnt und zwar mit "I Want My Tears Back", einer wiederum klassischen NIGHTWISH-Nummer mit vielen Elementen aus dem Irish Folk. Ein weiterer hartnäckiger Ohrwurm. Es folgt der Höhepunkt des Albums, denn das düstere, abgedrehte "Scaretale" mit seiner bösen Zirkusatmosphäre ist ein Spektakel erster Güte. Stimmung, Arrangements und Instrumentierung sind überragend und man darf sich nicht nur an einer schrill und extrem theatralisch singenden Anette erfreuen, sondern auch an abgedrehten Polka-Elementen und Kosaken-Chören. Ein Wahnsinns-Song, der zum besten gehört, was Holopainen je geschrieben hat. Im direkten Vergleich ist die nun beginnende, zweite Albumhälfte etwas ruhiger und weniger spektakulär, aber immer noch mit Juwelen für das Ohr gespickt. "Arabesque" ist ein schönes Instrumental mit orientalischem Flair und Filmmusik in Reinform, während die Ballade "Turn Loose The Mermaids sowohl spielerisch, wie gesanglich an BLACKMORE'S NIGHT erinnert. "Rest Calm" hat dann wieder Platz für verzerrte Gitarren, ist aber eine getragene und zunächst unauffällige Nummer, die erst mit der Zeit wächst. "The Crow, The Owl And The Dove" ist der einzige Song, den Holopainen nicht geschrieben hat, die Nummer stammt aus Hietalas Feder und war eigentlich für seine andere Band TAROT gedacht. Das wiederum ruhige Stück passt sich aber nahtlos in das andere Material ein und hat schöne, schwelgerische Gesangslinien zu bieten. Im Stil von "Storytime" und "I Want My Tears Back" rockt auch "Last Ride Of The Day" straight nach vorn, was für das 13-minütige Opus "Song Of Myself" natürlich nicht gelten kann. Die dramatische, leicht autobiografische Nummer trumpft mit Chören und massivem Bombast genauso auf, wie mit leidenschaftlichen Gesangspassagen. Die vierteilige Nummer wird zwar in der zweiten Hälfte, die komplett aus dem vierten Part besteht, etwas sehr ruhig, zumal nur noch erzählenden Stimmen agiert wird, ist trotzdem ein bewegendes Werk. Der abschließende Titeltrack ist ein reines Klassikstück, das die Hauptmotive der vorangegangenen Songs zu einem Lied zusammenfasst und nochmals aufzeigt, was für unglaubliche Melodien Holopainen zu schreiben in der Lage ist.

Natürlich ist aber auch an "Imaginaerum" nicht alles perfekt, so ist der Gitarrensound manchmal etwas zu schrammelig, während der Gesamtsound hier und da leicht übersteuert wirkt, was zumindest auf kleinen Kopfhörern zu merken ist. Dass in der zweiten Hälfte drei recht ruhige Songs aufeinander folgen, ist dramaturgisch sicher auch nicht das Ideal und sorgt dafür, dass die Aufmerksamkeit ein wenig nach lässt, zumal das Album mit 72 Minuten eh verdammt lang ausgefallen ist. Dafür darf man sich wiederum an einem phantasievollen, detailreichen und düsteren Artwork erfreuen.

FAZIT: NIGHTWISH sind mit Anette Olzon inzwischen zu einer perfekt aufeinander abgestimmten Band geworden und Tuomas Holopainen gelingt es, ihre stimmlichen Möglichkeiten mit den abwechslungsreichen Songs auszureizen. "Imaginaerum" verdeutlicht die Ausnahmestellung von NIGHTWISH eindrucksvoll und stellt jegliche Genrekonkurrenz vor eine schier unüberwindbare Hürde.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2011

Tracklist

  1. Taikatalvi
  2. Storytime
  3. Ghost River
  4. Slow, Love, Slow
  5. I Want My Tears Back
  6. Scaretale
  7. Arabesque
  8. Turn Loose The Mermaids
  9. Rest Calm
  10. The Crow, The Owl And The Dove
  11. Last Ride Of The Day
  12. Song Of Myself
  13. Imaginaerum

Besetzung

  • Bass

    Marco Hietala

  • Gesang

    Anette Olzon, Marco Hietala

  • Gitarre

    Emppu Vuorinen

  • Keys

    Tuomas Holopainen

  • Schlagzeug

    Jukka „Julius“ Nevalainen

Sonstiges

  • Label

    Nuclear Blast / Warner

  • Spieldauer

    74:28

  • Erscheinungsdatum

    02.12.2011

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