Manchester-Sound? Nein, nein. OBSESSIVE COMPULSIVE sind keine Arschwackler, sondern ruppige Riffer mit angry girl an der Spitze. Die pompös betitelte und im DIY-Verfahren herausgebrachte Scheibe stellt eine latent polarisierende Attitüde ins Schlaglicht: Wir gegen euch, und dazwischen gibt es nichts.
Oder zumindest kaum etwas. Nach dem kratzbürstigen Opener "$$" werden die Briten gleich ein wenig ruhiger, wiewohl nicht optimistischer. Sängerin Kelii bäumt sich im kräftigen Refrain gegen die Obrigkeit oder auch einzelne Widersacher auf, möchte nicht "swallowed by the system" werden und tönt am Ende doch müde. Man merkt der Band ihre lange Vorbereitsungszeit auf diesen Einstand an, wobei sie den Metal-Bereich bestenfalls streift, während die Inselpresse wie immer zu viele Superlative bemüht. Russ Russell (unter anderem NAPALM DEATH) hat der Gruppe einen sehr feinen Sound am Mischpult eingestellt, der OBSESSIVE COMPULSIVE nicht zum Schönklang gereicht, dies allerdings mit Absicht. Die Musiker agieren im weiten Feld zwischen Grunge der ursprünglichen, also schmutzigen Art und Postpunk - letzteres vor allem, wenn sie mit Dissonanzen arbeiten und sich damit ganz nebenbei von den eher mal nicht visionär aufspielenden Neumetall-Nachbarn aus ihrem Land abheben. Das epische "The Decay of Hope" (super Melodien und Gitarrenmotiv; ist das ein Mellotron gen Ende?) geht als frühes Glanzlicht auf und wirkt passenderweise resignierend, am Ende dann erneut trotzig. "A Cocktail of Toxins" stinkt danach mit L7-mäßiger Beliebigkeit ein wenig ab, zumindest in den härteren Passagen.
Ja, man ist gar geneigt, OBSESSIVE COMPULSIVE ihre stärksten Momente eben nicht in den lautesten Passagen zuzuweisen. Deshalb fällt das lospreschende "Spit the Medicine" mit Drumloops quasi komplett durch, zumal die Sängerin hier eine Allerweltsmelodie raushaut. "Virago" zeugt von instrumentaler Geschmackssicherheit und erneut zwingenden Parts, wenn Kelii die Lungenflügel nicht aufbläht beziehungsweise ihre Mannen den groben Knüppel nicht auspacken. Schöne Leads und solide Gitarrenbreitwand auch am Ende … Mit "Autopsy" steht ein profunder Hit parat, fintenreich wie eingängig nebst klasse Solo, und nach den ambivalenten "Future Closing in" und "Exit" (punkiges Rumgeachtel) sowie dem Zwischenspiel "Hell Is a Circle" versetzen OBSESSIVE COMPULSIVE mit dem Rauskicker "27 1/2" nicht unbedingt in Rieseneuphorie, was das Gesamtbild betrifft. Allerdings: Das Quartett zockt und arrangiert gut die halbe Spielzeit über sehr spannend, hat eine ausdrucksstarke Frontdame und wird seinen Weg gehen. Jede Reise beginnt mit … klar, oder?
FAZIT: "Dreams of Death and the Death of Dreams" bietet zeitgenössischen Rock mit einigen Brüchen in musikalischer wie emotionaler Hinsicht, was für anhaltende Stimmung und Hörerfreude sorgt, wenn OBSESSIVE COMPULSIVE nicht den einfachen Weg wählen (abgegriffene Gefühle, allzu bekannte Wendungen) und so drohen, der Austauschbarkeit anheimzufallen. Wer einer jungen Band lauschen will, die sich im Felde zwischen HOLE und traditioneller Hartkern-Handarbeit zu mausern anschickt, ist hier gut beraten.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.06.2011
Pete
Kelii
Giz
Dami
Vociferous Records / Code 7
44:43
27.05.2011