RIO und Madrid gleichzeitig: OCTOBER EQUUS sind seit fast zehn Jahren eine Institution in Sachen Avant-Prog und schlagen mit "Saturnal" besonders unbarmherzig zu - was würde man von jemandem mit einem solchen Namen sonst erwarten, ganz zu schweigen angesichts des Albumtitels?
Damit der grimmige Gott seine Kindchen verspeisen kann, haben die Spanier sich gleich um ein Kammerochester verstärkt, was sie in die Nähe von Schergen wie John Zorns ELECTRIC MASSADA (die gleichwohl viel jazziger agieren) und ART ZOYD rückt. "Saturnal" klingt jedoch zu jeder Sekunde durchkomponiert und deshalb umso verbindlicher. Der neue Mann Vasco Trilla (von PLANETA IMAGINARIO) vollbringt Großtaten hinter den Drums, und der intim organische Sound der Produktion unterstützt dies, nicht zu vergessen die Dynamik, welche der Einsatz akustischer Instrumente vergrößert. Dem wurde Rechnung getragen. Mit düsteren Themen und Mythologie kennt man sich im Hause der Musiker bereits aus (siehe "Charybdis"), und was andere großspurig verkopft mit viel Geschwafel zum mit dem Zaunpfahl winkenden Konzeptalbum aufgeblasen hätten, geschieht bei OCTOBER EQUUS insgeheim ohne Worte, aber dafür nicht minder vielsagend, geradezu expressiv mit gern auch impressionistischen Gestaltungsmotiven.
Wunderbar verzahnt haben sich Gitarre und Bass, beziehungsweise die Combo geriert sich ganz allgemein wie ein eingespieltes Team, ohne dass sie den Dünkeln von Profimusikern aufsitzt, die nur einen Job erledigen. Hier sind ehrgeizige Künstler am Werk, was man nicht nur am weitgreifenden thematischen Ansatz der Gruppe, sondern auch am vom Gitarristen geschmackvoll inszenierten Booklet bemerkt. Auf ihrer vierten Scheibe klingen OCTOBER EQUUS weniger heavy als die jeweils von der Stimmung her zu ihnen passenden Werke KING CRIMSONs, doch die Frippsche Klangkunst hat an allen Kanten dieser schartigen Dreiviertelstunde Spuren hinterlassen, vor allem in "Una mirada furtiva en la noche saturnal". Eines der Highlights danach ist das spukige "Realidad ciega" bei dem man tatsächlich hinter den Schleier der durch Nüchternheit blendenden Realität zu schauen vermag.
Eingedenk des hibbelig dringlichen "Avanzando velozemente contra el viento lacerante" stellt "Sutiles ecuaciones vivientes" als eines der längeren zeitgleich auch das Schlüsselstück der Platte dar, wo unter den 13 mancher Einminüter zu verzeichnen ist. Diese fungieren wiederum mitnichten als Zwischenspiele; eigentlich hätte die Indizierung der Tracks sich erübrigt, denn "Saturnal" klingt deutlich nach einer zusammenhängenden Suite, die ihren Klimax mit "¡Abre los ojos!" erreicht, einem erlösenden und seinem Titel alle Ehre erweisenden Ausbund an Spannung, obschon: Ohren auf! Im Anschluss klingt "Último refugio" relativ gelöst, schließt die im Vergleich zum Vorgänger (mehr kenne ich nicht von OCTOBER EQUUS) runder wirkende Scheibe also überaus stimmig ab.
FAZIT: OCTOBER EQUUS sind eine der ersten Adressen, auch international, wenn es um die dämlich titulierte Schublade Rock in Opposition geht, zumal Rock nur eine von mehreren gleichwertigen Zutaten darstellt. Komplex und nicht einmal schwer verdaulich, dafür jedoch sehr atmosphärisch - und in diesem Fall eindeutig auf der düsteren Seite zu verorten, also nichts für Schönwetterprogger - tanzen die Spanier hiermit in die erste Liga … falls sie nicht ohnehin außer Konkurrenz stehen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.07.2011
Amanda Pazos Cosse
Angel Ontalva
Victor Rodriguez
Vasco Trilla
Just For Kicks
46:03
10.06.2011