Es scheint mittlerweile nur noch zwei Arten von Thrashbands zu geben: Die einen stehen schon seit dem Aussterben der Dinosaurier auf den Bühnen, die anderen sind gerade erst dem Windelalter entwachsen.
PESSIMIST gibt’s seit 2006 – nun gut, Windeln tragen die Fünf sicherlich auch schon ein paar Tage länger nicht mehr, dennoch ist „Call To War“ ihre Debüt-CD. Und wenn man sich beispielsweise mal anschaut, welche „Qualität“ die ersten musikalischen Gehversuche von KREATOR, SODOM oder DESTRUCTION in den 80er Jahren hatten, dann kann einem angesichts des fulminanten Songmaterials auf „Call To War“ wirklich Angst und Bange werden. Rassiermesserscharf und voller Wut ballert sich das Quintett aus Weil am Rhein – das ist auf der deutschen Seite des Drei-Länder-Ecks bei Frankreich und der Schweiz - durch neun Songs, dass nach Ablauf der 51 Minuten im Grunde genommen nur zwei Optionen bleiben: Die Repeat-Taste drücken, oder sich freiwillig in die Schwarzwaldklinik einweisen lassen.
Schon der Opener „Trommelfeuer“ macht unmissverständlich klar: Gefangene werden hier nicht gemacht. Der Refrain ist auf Deutsch, was natürlich zunächst Assoziationen zu SODOMs „Ausgebombt“ und ähnlichen Schoten aufkommen lässt; insgesamt zielt das Songmaterial aber eher in Richtung KREATOR, DESTRUCTION, SLAYER oder EXOUS. Eigenständig? Wozu, wenn die transportierte Wut so ungezügelt die Nackenmuskulatur automatisch ins Rotieren bringt.
Und obwohl das Gaspedal durchweg fernab jeden Tempolimits durchgedrückt ist, ist „Call To War“ weit davon entfernt, eintönig zu sein. Immer wieder werden melodische Parts eingestreut, auch vor Akustikgitarren scheut man nicht zurück. Schleppende Songs lockern das Gesamtbild erfreulich auf, und der eine oder andere deathmetallische Einschub steigert nochmals das Aggressionslevel.
Sänger Michael Schweitzer klingt wie der zur Adoption freigegebene Sohn von Mille Petrozza, der nach 20 Jahren beschissenster Kindheit endlich herausfindet, wer sein leiblicher Vater ist. Wahnsinn, wie sich der Junge durch die Songs brüllt, kreischt und schreit, dabei aber auch immer wieder diese für Mille so typischen heiseren Textfragmente herauspresst.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie oldschoolig junge Metalbands klingen können. „Modern“ dürfte auch für PESSIMIST ein echtes Schimpfwort sein. Auf „Call To War“ atmet alles den Spirit der unbeschwerten Knüppel-aus-dem-Sack-80er Jahre. Songmaterial, Songtitel wie „It’s Time To Fuck (With Hate)”, “Son of Satan” oder “Infernal Death”, das schwer an SODOM erinnernde Plattencover, die rotzig hingeschmierten Texte im Booklet – alles old school bis zum Abwinken. Und selbst vor einem „Hidden Track“ inklusive unsinnigem Nintendo-Gedudel schrecken die Süddeutschen nicht zurück. Wer macht das heutzutage noch?
FAZIT: Thrash! Till! Death! “Call To War” ist eines der besten deutschen Thrash-Debüts der letzten 25 Jahre. Wenn die Jungs ihre Qualität konstant auf solch hohem Niveau halten können, wird’s in Deutschland bald noch mehr Pessimisten geben.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.01.2011
Severin Wössner
Michael Schweitzer
Patrick Pfefferle, Richard Beck
Raphael Gamboni
Firefield
51:09
10.12.2010