Obwohl PLACEBO seit Jahren meine liebste Alternative-Rock-Band sind, habe ich es bisher nicht geschafft, die Band live zu sehen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin kann man sich auf "We Come In Pieces" von den Livequalitäten der Band überzeugen. Das Konzert in der Londoner Brixton Academy wurde im September 2010 aufgenommen, als die Tour zum aktuellen Studioalbum "Battle For The Sun" kurz vor dem Ende stand und dementsprechend kann man fast zwei Stunden lang eine perfekt eingespielte Band sehen und hören.
Mit dem inzwischen nicht mehr ganz so neuen Drummer Steven Forrest bekamen PLACEBO 2008 eine Frischzellenkur, die man nicht nur auf "Battle For The Sun" hörte, sondern die man der Band auch auf der Bühne anmerkt. Zwar sind Brian Molko und Stefan Olsdal beide keine ausgesprochenen Rampensäue, doch sowohl der eher schüchterne Schwede am Bass, als auch der ebenso charismatische wie androgyn wirkende (und wie ein Schwein schwitzende) Sänger haben sichtbar Freude an der Performance vor einem sehr dankbaren Publikum. Zwar wird nicht mehr als nötig mit den Fans kommuniziert, doch bei PLACEBO ist es auch nicht nötig, die Zuschauer mit irgendwelchen Sperenzchen bei Laune zu halten, das funktioniert allein mit der Musik. Interessant ist, dass viele Fans nicht nur auffällige Outfits tragen, sondern auch besonders geschminkt sind oder Handschuhe mit aufgemalten Sonnen anhaben. Der Konzertfilm zeigt die Band aus den verschiedensten Blickwinkeln, aus dem Publikum heraus, von oben oder eben frontal. Das Bild ist dabei kristallklar - außer wenn ganz bewusst mit einem Rauschfilter gearbeitet wird. So ergibt sich eher die Wirkung eines Videoclips, als einer Standardkonzertaufnahme. Die Bühnenshow ist eines Topacts würdig, es gibt große LED-Leinwände, eine tolle Lichtshow und für die Zuschauer regnet es zum Ende des Sets erst Luftballons, dann Millionen von Papierschnipseln.
Die Setlist der Show in der Brixton Academy lässt keine Wünsche offen. Zwar gibt es von den ersten drei Alben insgesamt nur vier Songs zu hören und zu sehen, letztlich findet aber jede Platte Berücksichtigung und solange "Every You Every Me", "Song To Say Goodbye" und das grandiose "The Bitter End" nicht fehlen, ist eh alles in Butter. NIRVANAs "All Apologies" wird ordentlich gecovert, der recht neue Song "Trigger Happy Hands" überzeugt auf ganzer Linie mit ungewohnter Härte und auch die Tracks vom "Battle For The Sun"-Album fügen sich prima mit den älteren Songs zu einem wirklich tollen Konzert zusammen. Neben den Dolby-Varianten Stereo und 5.1 kann man sich das Konzert mit der entsprechenden Hardware auch mit DTS Surround Sound anhören, dass der Sound hierbei perfekt ist, versteht sich von selbst. Als kleinen Bonus gibt es sechs weitere Livetracks von ebenso vielen verschiedenen Locations.
Auf der zweiten DVD, die in der hier besprochenen Deluxe Edition dabei ist, gibt es unter dem Titel "Coming Up For Air" eine einstündige Dokumentation zur Tour, die hochprofessionell gefilmt ist und viel Wert auf einen künstlerisch wertvollen Aspekt in den Bildern legt, wenn nicht gerade Interview-Sequenzen gezeigt werden. In letztgenannten erfährt man unerwartet viel über die Musiker und ihr Innenleben. Von einem Seelenstriptease zu sprechen wäre zwar übertrieben, trotzdem lernt man Brian, Stefan und Steven enger kennen, als man das bei einer Tourdokumentation üblicherweise tun würde. In Kombination mit den wirklich sehenswerten Bildern ist "Coming Up For Air" mehr als nur schnödes Bonusmaterial. Zu guter Letzt findet man auch noch einen recht harten und etwas verstörenden, zehnminütigen Film zum Song "Trigger Happy Hands", der von einem gewissen Andreas Nilsson gefilmt wurde.
FAZIT: Ein tolles Konzert, toll gefilmt, dazu eine sehenswerte Dokumentation. Das ergibt drei Stunden Pflichtprogramm für PLACEBO-Fans.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.11.2011
Stefan Olsdal, Bill Lloyd
Brian Molko
Brian Molko, Alex Lee, Bill Lloyd, Stefan Olsdal
Bill Lloyd, Alex Lee, Fiona Brice
Steven Forrest
Fiona Brice (Violine)
Edel
179:00
29.10.2011