Liebe Deathcore-Gemeinde,
es heißt Abschied nehmen von einer liebgewonnenen Berliner Band, es heißt Abschied nehmen von PLACENTA, einem Freund, der ein Schaf in unserer Herde war, brav im Chor mitblöckte und vielen von uns Freude bereitete. Asche zu Asche. Amen.
Liebe Metal-Ohne-Grenzen-Gemeinde,
heißen wir ein neues Mitglied in unserer Mitte willkommen, PLACENTA aus Berlin, dort ehemals in der Deathcore-Gemeinde beheimatet, jetzt in die Freiheit jenseits der Gemeinde-Arbeit entlassen. Welcome und Cheers!
Den Wandel, den das Berliner Quartett seit „Brutalis“ durchgemacht hat, ist beachtlich und er wird nicht jedem gefallen. Ehemals guter, aber nicht überragender Deathcore-Standard, legen PLACENTA jetzt ihre Fesseln ab und hauen mit „Replace Your Face“ ein Geschoss allererster Güte heraus, das öfter mal den Unterkiefer erstaunt nach unten klappen lässt. Denkt man zu Beginn des Openers noch an alte Tage, mischen sich plötzlich in die Chugga-Gitarren feine Deathmetal-Melodien und klarer Gesang, der immer wieder die Refrains betont und veredelt. Abwechslung wird großgeschrieben, gelegentlich erinnern PLACENTA mal an bessere IN FLAMES und Artverwandtes, gelegentlich klauen sie einzelne Gitarrenriffs direkt in der Old-School-Death-Metal-Schule bei GOREFEST und CARCASS, in harten Momenten tönen sie auch wie weniger technoide FEAR FACTORY. Alle Einflüsse werden aber nur frei zitiert und nicht kopiert, so das „Replace Your Face“ innerhalb des Modernen-Metal-Mischmaschs durchaus Eigenständigkeit besitzt. Verblüffend gut ist übrigens die klare und druckvolle Produktion, die Haupt-Songwriter und Drummer Tobias Stein selbst gezaubert hat. Respekt.
Natürlich höre ich im Hintergrund schon die „Sell Out“-Schreie, da das Album eingängiger als seine Vorgänger ist und damit natürlich auch massenkompatibel wird. Das ändert aber nichts an der Güte des Materials, allenfalls kann man PLACENTA vorwerfen, das das Brüll-Clean-Gesangsschema auf Longplayer-Länge etwas abnutzt, andererseits die Band es aber auch gelegentlich zu gut gemeint hat und ganz einfach an einigen Stellen etwas überfrachtet wirkt.
FAZIT: Riesenschritt nach vorne und Neuerfindung der eigenen Band zugleich ist „Replace Your Face“ der Mauerstädter PLACENTA geworden. Der Name der Scheibe ist Programm, das Gesicht ist frisch und kalt gewaschen und PLACENTA sollten so eine deutliche Duftmarke in der internationalen Metal-Szene setzen können.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.09.2011
Florin Kerber
Sven Berlin
Michael Hoge
Tobias Stein
Noizgate Records
45:31
30.09.2011