Nach dem 2008er Überwerk „Fortress“, war die Spannung groß, wohin die musikalische Reise des in Whitby/Ontario gegründeten Haufens auf Album numero drei gehen mag. Paradoxerweise über- und unterrascht „Scurrilous“ in gleichem Maße, denn PROTEST THE HERO vollführen eine perfekte Gratwanderung zwischen Selbsttreue und Aufbruchstimmung zu Neuem. Und das wieder einmal auf höchstem Niveau.
Das zehn Tracks starke Songkollektiv erscheint einerseits noch technischer, progressiver, komplexer und verschachtelter, andererseits zeigen sich diese Klangbilder auf der anderen Seite der Spiegelachse in invertierter Form wieder: Simple Parts, eingängige Passagen und nachvollziehbare Songstrukturen - und genau diese Widersprüche in sich selbst sind die stärksten Trademarks der kanadischen Formation: Zahlreiche Zerebralkopulationsszenarien in Form extrem verschwurbelter Instrumentalakrobatik gehen Hand in Hand mit bezaubernden Melodien, so als seien die Virtuosität und Komplexität der Asphalt, durch welchen das zarte Blümchen der Schöngeistigkeit hindurchbricht.
Zusammengehalten wird dieses wilde Wechselspiel der Gegensätze von Rody Walkers hingebungsvollem Gesang. Die jugendlich anmutende, variable, enorm gefühlvolle Stimme dieses Kerls darf durchaus als eine Ausnahmestimme bezeichnet werden. Wenn man sich seine Gesangsarbeit beim epischen „Tapestry“ antut, muss man schon die Emotionalität eines nassen Butterkekses besitzen, um nicht in Schnappatmung zu verfallen. Gerade, wenn es in Richtung der hochfrequenten Töne geht, singt Walker wie ein junger Gott, und das ganz ohne Pathos, Posing und Affektioniertheit.
FAZIT: Anfangs mag „Scurrilous“ noch etwas zu verkopft erscheinen , und auch die Songlängen machen zu erst den Eindruck von „too much“, aber bereits nach ein paar Durchläufen des Albums wird klar, dass alles genau den Platz eingeräumt bekommen hat, der jeweils dafür erforderlich war. Aus rein subjektiver Sicht war „Fortress“ zwar noch das stärkere Album sein, aber dieser Drittling ist ein in allen Belangen würdiger Nachfolger. Die dreizehn Punkte kommen ja auch nicht von ungefähr...
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.03.2011
Arif Mirabdolbaghi
Rody Walker
Tim Millar, Luke Hoskin
Moe Carlson
Tim Millar, Luke Hoskin (Piano), Tim Millar, Luke Hoskin, Arif Mirabdolbaghi (Backing Vocals)
Spinefarm Records
44:23
25.03.2011