"Heal the world
Make it a better place
For you and for me
And the entire human race"
Auf MICHAEL JACKSONs Sehnsüchte haben QUBE eine ganz spezielle Antwort: ab in die Inkubationskammer mit der Erde! Weg von der Giftatmosphäre, von Blut, Dreck und Sünde, rein in den gläsernen Kubus. Wie sagt der Fußballer noch so schön? "Das Runde muss ins Eckige." Genau.
Auf dass er also seine Zeit zum heilenden Inkubieren nutze, unser Planet. Und der dafür nötigen Zeit gemäß wird auf "Incubate" auch musiziert. Geduld braucht man, um mit dem Stil der Polen warm zu werden, denn der TOOL im Frühstadium gefährlich nahe kommende Grunge-Progressive-Mix beruht auf dem Spiel mit der Langsamkeit. Im quälenden Schneckentempo aaaaaaahen und oooooohen sich die ersten Strophen von "Nothing" im mehrstimmigen Gesang durch die Stratosphäre, offensichtlich auf der gar nicht mal so unerfolgreichen Suche nach dichter Atmosphäre. Selbstverständlich, der Genrefan ahnt es schon, kann es nicht bei dem Hauch von Nichts bleiben – schon "Nothing" mutiert im zweiten Teil zu einem beachtlichen "Pretty, pretty Much". Da salutieren die Drums im Marschtakt, da würgt der Sänger seine Innereien hoch. "Mantis" setzt im Mittelteil mit "Hey ho, let's go"-Feeling und Motorengeräuschen noch eins drauf (und ab 4:12 ist die TOOL-Nähe nicht mehr bloß Einbildung, sondern astreine Kopie). Spätestens bei der arschfetten Abgehbombe "Obsession" dreht der Soundarchitekt vollkommen ab: mechanische FEAR FACTORY-Grooves, Thrash-Metal-Pointen, Hard-Rock-Soli und Nu-Metal-Basics – alles in einem Ü-Ei. Die Vocals gehen zeitweise die Wege Sully Ernas (GODSMACK) – neben der offensichtlichen TOOL-Verwandtschaft Anhaltspunkt Nr. 2 für folgende Erkenntnis: so heavy QUBE auf ihrem Zweitling zeitweise auch werden, irgendwie bleiben sie gefühlt so sludgig langsam wie in der eröffnenden Strophe.
Das ist irgendwo verdammt cool, allerdings nun auch keine bahnbrechend neue Nische mehr. Immerhin kann man sich über den Abwechslungsgrad nicht beklagen, auch wenn QUBE dahingehend mehr als einmal an ihre Grenzen geraten. Die meisten Soli sitzen zwar und insbesondere die Rhythmik ist exquisit, manche Übergänge gestalten sich aber holprig. Auch Daniel Gielza steht nicht jeder Gesangsstil – wenn er versucht, gröhlende Aggressionen auszuteilen, klingt das noch etwas amateurhaft.
Zu vernachlässigen sind die Texte. Abgesehen von der mysteriösen Abwesenheit unbestimmter Artikel ("[…] If you could have second life […]" "[…] now I'm dead because you were liar") erregen die "Inner Thoughts"-Allgemeinplätze keine größere Aufmerksamkeit. Insbesondere werden sie nicht den inhaltlichen Ansprüchen gerecht, die das Cover in Kombination mit dem Titel schürt. Schade, dass die zwischen Melancholie und "Ab geht die Luzie" liegenden Melodien mit Plattitüden unterfüttert werden anstatt mit kryptischen, armageddonischen Texten.
FAZIT: Lässig-böser Progressive Grunge, der mit einer ganzen Palette an Einflüssen auf Wanderschaft geht: mal funky, mal meditativ, mal einfach auf die Zwölf. Der hochgradigen atmosphärischen und spielerischen Dichte steht eine zu offensichtliche TOOL-Verwandtschaft entgegen, ein nicht immer glücklich agierender Sänger und recht banal formulierte Lyrics – wenngleich Letzteres auch dem Transkriptionsprozess aus dem Polnischen geschuldet sein mag. In Originalsprache wäre "Incubate" vielleicht noch einen Tick besser geworden. Andererseits, wer würde außerhalb von Polen ein Album namens "Inkubacja" kaufen?
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.01.2011
Piotr Torbicz
Daniel Gielza (Lead), Kamil Wisniewski, Pawel Gajewski (Backing)
Tomasz Otto, Kamil Wisniewski
Pawel Gajewski
Electrum Production
50:54
21.01.2011