Ich hab noch die Worte meines Kumpels Holger im Ohr, als wir 1995 das erste Mal dem sensationellen zweiten Demoband einer jungen, italienischen Combo lauschten. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass das mal ein neuer Trend im Metal wird“, prophezeite Holger nach dem Genuss von „Eternal Glory“, dem er in seinem Review für unser damaliges Fanzine glatte 100 Punkte gab. Und wie recht er hatte: Zahllose Bands kopieren mittlerweile den Bombast-Metal von RHAPSODY, die bekanntermaßen heute ein OF FIRE als Appendix mit sich herum schleppen müssen.
Nach dem bejubelten Erstling „Legendary Tales“ im Jahre 1997 mischten sich allerdings, so ist das leider üblich im Heavy Metal, immer mehr kritische Stimmen in die Berichterstattung: Zu kitschig, schlechte Liveauftritte, viel zu viele Spuren übereinander gekleistert – und so weiter. Manches davon stimmte, manches war sicherlich hoffnungslos übertrieben.
Nach einigen qualitativ dürren Jahren ging es mit dem letzten Album „The Frozen Tears Of Angels“ 2010 wieder bergauf, und diesen Trend bestätigt auch Studioalbum Nummer neun, gewohnt markig „From Chaos To Eternity“ betitelt. Der Bombast-Faktor wurde ein wenig zurück geschraubt, es wird hin und wieder sogar eine richtige Metalkeule geschwungen.
In „Aeons Of Raging Darkness“ wagt sich Sänger Fabio Lione gar an Black-Metal-Gekeife heran – und das gar nicht mal so schlecht. Natürlich regiert nicht durchgehend die harsche Axt, der Bombast und der Klassikeinfluss kommen gewohntermaßen nicht zu kurz. Ausufernde Chöre, 128 Spuren übereinander, turmhohe Keyboards, und das Ganze noch unterlegt mit rasantem Speed Metal – all das gibt’s auch auf „From Chaos To Eternity“. Beispielsweise im Titeltrack, der die Scheibe furios eröffnet.
Ebenfalls herausragend: Das in der Muttersprache gesungene „Tempesta Di Fuoco“, das jeden Fan der ersten Stunde begeistern dürfte, gekonnt Barock und pfeilschnellen Symphonic Metal mischt und so den traditionellen Stil der Combo auf eine neue Ebene hievt.
Nicht jeder der neun Tracks ist ein Volltreffer, es mischen sich auch ein, zwei Durchhänger ein. Nicht weiter schmerzhaft, denn bei knapp einer Stunde Spielzeit bleibt immer noch genügend hochkarätiges Material übrig. Im abschließenden „Heroes Of The Waterfalls‘ Kingdom“ (zehn Cent für jeden RHAPSODY-Songtitel, in dem ein „Of“ vorkommt, und ich bräuchte nicht mehr arbeiten) darf erneut Bandmaskottchen Christopher Lee als Sprecher ran; der knapp zwanzigminütigen Mini-Oper merkt man allerdings an, dass die gesprochenen Passagen von Lee zuerst da waren, die Musik erst danach entstand: Der Longtrack kommt ein wenig zerklüftet und verwirrt daher, der rote Faden fehlt, wenngleich manche Passagen durchaus ansprechend sind.
FAZIT: RHAPSODY OF FIRE sind auf dem Weg zu ihrer alten Form. Dass die Italiener den Bombast ein wenig zurückgeschraubt haben, kommt ihnen deutlich zugute, und dass sie sich ein wenig trauen, die engen Mauern ihres Soundkorsetts zu erweitern, gibt ebenfalls weitere Pluspunkte.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.07.2011
Patrice Guers
Fabio Lione
Luca Turilli, Tom Hess
Alex Staropoli
Alex Holzwarth
Nuclear Blast
57:22
17.06.2011