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Scale The Summit: The Collective

Stil: Instrumental Progressive Rock

Cover: Scale The Summit: The Collective

Unterschätze niemals die Macht der Stimme.
Entscheidet sich eine Band dazu, instrumental zu bleiben, sollte sie genau wissen, welcher Herausforderung sie sich damit stellt. Mit dem Gedächtnis ist das so eine Sache – es merkt sich menschliche Dinge besser als andere. Das macht es Computeranimationsfilmen beispielsweise nahezu unmöglich, Menschen realistisch aussehen zu lassen. Instrumental-Rockbands wiederum stellt es vor die Herausforderung, alleine auf Basis von Gitarre, Schlagzeug, Bass & Co. eine Skulptur aus dem Steinblock zu meißeln, an die man sich erinnert.

SCALE THE SUMMIT haben das Meißeln verflucht schnell gelernt und vor allem haben sie sich das geeignete Objekt dafür ausgesucht – sie hauen ihre Silhouetten mal eben in einen ganzen Canyon. Die Texaner spielen nicht einfach irgendwelchen Instrumental Rock. Sie haben sich ihre Nische längst gezielt ausgesucht. "Desert Eagle Rock" könnte man das vielleicht bezeichnen, denn die Perspektive ihrer Musik ist die eines Adlers, der über ein Wüstengebirge streift.

"The Collective" veranschaulicht im perfektionierten Maß alles, was an diesem Bild hängt. Die Freiheit einerseits nämlich, das Gefühl des Gleitens und der Luftzirkulation, des Sich-Hingebens und des Sich-Fallenlassens. Den konzentrierten und analytischen Blick auf den Boden andererseits, die Präzision, die Überlegtheit, mit welcher der Adler sein Revier auskundschaftet. Das phyllotaktische Muster auf dem Cover rückt die taxonomische Darstellung des Gebirges von "Carving Desert Canyons" noch weiter ins Naturalistische. Gar kein Zweifel, SCALE THE SUMMIT verfügen über Wiedererkennungswert in Mengen. Sie machen ihn mit ihrem dritten Album bloß noch prägnanter.

Mit der Schere zwischen Leichtfüßigkeit und Anspruch allerdings hatte die Musik schon früher zu kämpfen. Die Perfektionierung beider Seiten der Medaille macht ihre Unvereinbarkeit nur noch offensichtlicher. "The Collective" bietet in der Regel entweder das eine oder das andere, allzu selten jedoch beides im gleichen Moment.

Wo die für den Sound charakteristischen Sieben- und Achtsaiter von Travis Levrier und Chris Letchford noch gut miteinander harmonieren, gilt das nicht immer für die doch zu offensichtlichen Übergänge. "Emerson" macht das erstmals deutlich: Ein permanenter Wechsel zwischen atmosphärischen und eher technisch geprägten Passagen findet statt. Kaum hat man sich auf einen Blindflug eingestellt, packt der Architekt plötzlich seine Maßinstrumente aus und reißt einem die Augen auf.

Es wird manchmal berichtet, dass SCALE THE SUMMIT mit der Zeit zu langweilen beginnen. Dabei wird in Wirklichkeit wohl weniger gelangweilt als vielmehr überfordert: Im Grunde steckt "The Collective" voller Brillanz im Detail. Das wundervoll flirrende Mainriff von "The Levitated" beispielsweise, die majestätischen Leads von "Secret Earth" mit ihrem ergreifenden Pathos, die Postrock-Momente auf "Black Hills", die ein wenig an MOGWAIs letztes Album erinnern, all die latenten Jazz-Strukturen in praktisch jedem Stück… man kann skippen, wohin man will, die Gipfelstürmer bieten praktisch zu jeder Zeit illustre Details wimmelnd voller Leben. Wie kann das langweilen? Nein, weshalb auch "The Collective" das Eintauchen in den so schillernden Kosmos nicht über seine volle Laufzeit zulässt, liegt einzig in der Prämisse begründet. Es ist kognitiv gesehen problematisch, sich immer wieder neu auf den Wechsel zwischen Easy Listening und Progressivem einstellen zu müssen.

FAZIT: An der Zusammenführung oder Separation verschiedener Seiten ihrer Musik sind schon ganz Große gescheitert. "The Collective" ist natürlich nicht wirkliches Scheitern, dann doch eher das Gegenteil, denn auf ihrem Drittling sind SCALE THE SUMMIT virtuoser und spielfreudiger als je zuvor. Die Erde, die THE OCEAN auf ihrem Meisterwerk "Precambrian" geschichtlich portraitierten, illustrieren SCALE THE SUMMIT ebenso organisch aus der heutigen Perspektive. Die einzelnen Teile allerdings sind wertvoller als das Ganze. Wo die Pflanze ihre Anordnung von Blättern nämlich in ihrer DNA geschrieben hat, müssen die Musiker Herzblut und Verstand investieren. Die dabei freigesetzte Anstrengung legt sich auf die Musik nieder. Dennoch eine Sammlung großartiger Partikel, die man am besten in Häppchen genießt.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.04.2011

Tracklist

  1. Colossal
  2. Whales
  3. Emersion
  4. The Levitated
  5. Secret Earth
  6. Gallows
  7. Origin Of Species
  8. Alpenglow
  9. Black Hills
  10. Balkan
  11. Drifting Figures

Besetzung

  • Bass

    Jordan Eberhardt

  • Gitarre

    Chris Letchford (8-String), Travis Levrier (7-String)

  • Schlagzeug

    Pat Skeffington

Sonstiges

  • Label

    Prosthetic

  • Spieldauer

    45:38

  • Erscheinungsdatum

    22.04.2011

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