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Schizofrantik: Oddities

Stil: Jazz / Rock / Progressive

Cover: Schizofrantik: Oddities

Wieder einmal sprechen Band- und Albumname für sich: Martin Mayrhofer tobt sich abseits des PANZERBALLETTs bei dieser in gewisser Hinsicht durchaus schizophrenen wie hektischen Band aus, die - natürlich, wir folgen der Linie - allerlei Kuriositäten feilbietet. Trotz Kiefer-runterklapp-Faktor: Liebhaben erlaubt.

Das quirlige "my ponytail" fungiert als rein instrumentale Einleitung und wird von einem rasenden Legato-Motiv geprägt. Das expressive Gitarrenspiel verortet die Gruppe gleich im weiteren Jazzrock-Kontext, doch wer reine Mucker-Mucke riecht, sollte seine Nase putzen und in keinem Fall rümpfen; er könnte "last signal distorted" überhören, das anfänglich vor allem an KING CRIMSON erinnert, ehe der Gesang - für einen vermeintlich ausschließlichen Gitarrenvirtuosen ungewöhnlich ausdrucksvoll und emotional, also nicht bloß als "Nebenjob" verstanden - eingedenk der zugehörigen Arrangements an düstere PAIN OF SALVATION erinnert. Das Stück reißt emotional mit und haut mit seinem Hauptriff gewaltig ins Mett. "it happens" dagegen gerät schwebend repetitiv mit seinem Minimaltext, lässt deshalb vornehmlich rhythmisch aufhorchen, wenngleich er im Gegensatz zum Opener keine Mathematiker auf den Plan ruft.

Das zehnminütige "red dragon in a möbius strip" hingegen betreibt einmal mehr Morsecode-Studien, bevor Gesang in GENTLE-GIANT-Schräglage erklingt, allerdings nicht chorisch wie bei den Ur-Prog-Giganten. Der Mittelteil reizt die Möglichkeiten des Taktschiebens bis zum Maximum aus, was manchen Zeitgenossen zu viel des Guten sein mag, zumal sich die Keyboards fieseste Unmelodien aus dem Prozessor drücken. Die MESHUGGAH-Vorliebe im modernen Fusion sowie bei Maryhofer im Speziellen wird hier allzu deutlich. Abgesehen von der in wenigen Sekunden bewältigten Zielgeraden verläuft der Rest des Stückes allerdings eher cineastisch als angeberisch.

PRIMUS haben ein Herz für Skurrilitäten, weshalb es vermutlich kein Wunder darstellt, dass "John Merrick" nach den kalifornischen Kaputtniks klingt. Dem Elefantenmenschen zollt die Combo einerseits funky, andererseits mit Schifferklavier Tribut - definitiv der "hittigste" Track der Scheibe mit versöhnlichem Ende. Das anschließende Instrumental "bifurKations" nimmt titelgemäß viele Abzweigungen und gefällt sich in anheimelnden Melodien wie mehreren Stimmungswechseln, erinnert vielleicht am stärksten an die kreativeren Auswüchse diverser Post-Shrapnel-Gitarrenhelden, die tatsächlich durch ihr Instrument sprechen statt geistig zu ejakulieren. "eleven" schwingt sich im gleichen Gestus zum fretless-bassigeren Kompagnon auf.

Das Längste fast zum Schluss: In "nerds don't smoke" meint man zunächst, älteren SPOCK'S BEARD aufzusitzen, die zu viel Neo-Thrash genascht haben. Die Kiste artet in Geschrei im Widerstreit mit einem nach Football-Mannschaft klingenden Chor aus. Der Fight endet mit einem Unentschieden; die nächste Runde bestreiten Schönklang und Dissonanz, Laut und Leise bis zur Beinahe-Zerfaserung. Pünkltich zur Halbzeit arbeiten SCHIZOFRANTIK jedoch klare Motive heraus und verwursten sie so progmetallisch wie kaum auf "Oddities". Das finale "rabbit hole" erweist sich als weitere Großtat, die man auf den letzten Alben von Adrian Belew hätte hören können. Besserhörer wissen Bescheid, was zu tun ist, und trotz der verhältnismäßig deskriptiven Natur dieser Rezension sei auf den Anfang verwiesen: SCHIZOFRANTIK dürfen auch emotional wahrgenommen werden.

FAZIT: Fabelmusiker verweisen das Gerücht von angeblich langweiliger Schulmeister-Musik ins Reich der Fabel: SCHIZOFRANTIK sind sowohl vom Spielerischen her als auch in kreativer Hinsicht ein ganz heißes Eisen, wenn es um schrankenfreien und tatsächlich auch zeitgemäßen Jazzrock geht, eine waschechte Fusion eben. Gute Songs (!), spannende Arrangements sowie Nahbarkeit auf Gefühlsebene.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.09.2011

Tracklist

  1. my ponytail
  2. last signal distorted
  3. it happens
  4. red dragon in a möbius strip
  5. waltz
  6. John Merrick
  7. bifurKations
  8. eleven
  9. nerds don't smoke
  10. rabbit hole

Besetzung

  • Bass

    Peter Braun

  • Gesang

    Martin Mayrhofer

  • Gitarre

    Martin Mayrhofer

  • Schlagzeug

    Andy Lind

Sonstiges

  • Label

    Gentle Art Of Music

  • Spieldauer

    54:57

  • Erscheinungsdatum

    30.09.2011

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