MARIO SCHÖNWÄLDER geht fremd. Abseits seines Stammtrios B,K,&S hat er mit FRANK ROTHE (FRATOROLER) über drei Jahre die Stücke eingespielt, die sich jetzt als „Cup 1“bis „Cup 8“ auf „Filter-Kaffee 101“ finden lassen. Keine Angst: Der Titel bezieht sich auf die Mengen an Kaffee, die während der finalen Produktionsphase getrunken wurden, er bedeutet nicht, dass die Musik klingt wie eine blubbernde Kaffeemaschine.
Titelgebung ist bei elektronischer Musik eh so eine Sache. Denn kaum eine andere Musikrichtung verleitet derart zum assoziativen Hören; ob konzentriert oder als Soundtrack zu Lese- oder Liebesstunden. Klanglandschaft ist ein weiterer Begriff, der sofort einfällt, wenn Alben wie „Filterkaffee 101“ im Player landen. Flächige Sounds, vorsichtig tastende Rhythmen, Sequenzer-Romantik, immer dem Analogen in der digitalen Welt auf der Spur. Glücklicherweise keine einlullendes Gesäusel zur Meditationsgymnastik auf einem Steg vor aufgehender Sonne. Störgeräusche, Verschleppung des Tempos bis einzelne Töne nahezu stehenbleiben, dann gibt der Sequenzer wieder den Takt an die Geschwindigkeit wird (mild) erhöht. Die großen Alten sind nah, MICHAEL HOENIG mit seinem Kultalbum „Departure From The Northern Wasteland“, KLAUS SCHULZE natürlich und ein bisschen TANGERINE DREAM.
Doch SCHÖNWÄLDER & ROTHE sind schon was Eigenes. Gerade die Mixtur aus sacht pulsierenden Rhythmen und spannungsgeladenem Innehalten, basierend auf einer warmen Grundstimmung, machen den besonderen Reiz von „Filterkaffee 101 aus“.
FAZIT: „Die Katzen von Ulthar“, Reisen durch Äonen zu fremden Göttern, im Flug über dunkle Seen und Abstiege in Höhlengewölbe bei flackerndem Lichtschein; das alles und mehr, ohne in Konflikt mit Nächten trauter Zweisamkeit zu treten – mit „Filterkaffee 101“ ist’s möglich. Ein gelehriges Kind der Berliner Schule und doch daheim, wo immer man es haben möchte.
„Die Zeit vergeht und in der Musik hört man ihr zu, wie sie vergeht“. Elisabeth Jelinek liefert das passende Motto zum Album. Zeit fließt. „Filterkaffee 101“ auch.
Kleine Aktualisierung: Jetzt, knapp zehn Jahre später, im Dezember 2020, ist „Filter Kaffee 101“ neu aufgelegt worden. Erhältlich im Pappschuber unter dem Projektnamen FILTER-KAFFEE und nicht mehr als Schönwälder & Rothe. An der formidablen Musik hat sich nichts geändert. Wer das Album bislang noch nicht besitzt, darf also umgehend zuschlagen. Natürlich auch im digitalen, wohlklingenden Download via Bandcamp. Eine versöhnliche, stimmungsvolle Meditation zum Abschluss eines gruseligen Jahres.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.08.2011
Mario Schönwälder, Frank Rothe
Frank Rothe, Mario Schönwälder
SynGate Records
66:16
13.05.2011