Für die Fans der Tilburger Polyrhythmiker TEXTURES waren die letzten rund zwei Jahre wohl eine äußerst intensive Zitterpartie. Erst wurde bekannt, dass die Band vom kleinen französischen Label Listenable Records zum allesschluckenden Donzdorfer Riesen Nuclear Blast wechselt, sodass man durchaus befürchten konnte (konnte, nicht musste!), dass zugunsten wirtschaftlicher Faktoren musikalische Zugeständnisse gemacht würden. Ist natürlich nur bei wenigen Bands tatsächlich der Fall gewesen, und TEXTURES haben ganz offenslichtlich ebenfalls ihr Gesicht bewahrt. Puh, Teil eins. Ein wahrer Schock war allerdings, als Sänger Eric Kalsbeek 2010 die Band verließ, wodurch den Niederländern ein eigentlich stilprägender Teil des Gesamten verloren ging. Für den in dessen Fußstapfen tretenden Daniel de Jongh (ex-CILICE) war die Einnahme von Erics Platz demnach eine echte Feuerprobe, denn die Ansprüche an ihn waren schwindelerregend hoch. Kann der sympathisch-coole Nachfolger diesem gerecht werden? Puh, Teil zwei, denn er kann.
Musikalisch finden TEXTURES immer mehr ihren eigenen Sound. Wenngleich die MESHUGGAH-/DEVIN TOWNSEND-Schule nach wie vor unüberhörbar ist, haben sich Broks, Hennephof, Jacobs und Co. deutlich vernehmbar noch mehr von ihren Inspiratoren freigeschwommen. Kleine Verschiebungen hat es zwischen den Thrash- und den Prog-Komponenten gegeben, denn von puristischeren Knüppelsounds, wie man sie noch vom „Silhouettes“-Opener „Old Days Born Anew“ kennt, findet man auf „Dualism“ nur noch in Fragmenten, stattdessen wird den progmetallischen und vor allem progrockigen Elementen um einiges mehr Spielraum zuteil. Auch leicht alternativen Tönen haben sich die sechs Jimmy-Neutron-Metaller großzügig geöffnet („Consonant Hemispheres“), und die atmosphärischen, ruhigen, verspielten Parts werden zahlreich und geschickt wie noch nie eingestreut, was dem Elftracker einiges an Vitalität, Dynamik und Vielfalt beschert – ein Instrumental wie „Burning The Midnight Oil“ wurde perfekt zwischen die Hirnverdreher „Consonant Hemispheres“ und „Singularity“ platziert.
Und wenngleich Kalsbeek seinen Job genial ausgeübt hatte, so ist De Jongh ein mehr als würdiger Ersatz. Er tönt um einiges weniger nach Jens Kidman (MESHUGGAH) und Hevy Devy, stattdessen ist seine Stimme ungleich individueller und weiß durch zusätzliche Klangfarben zu überzeugen. Sein Organ driftet gerne auch mal in soulige Gefilde ab, ist häufig Death-Grunts nahe, kommt in den Brüllphasen bauchlastiger daher, aber auch sparsam eingesetztes Falsett kommt in den entspannteren Passagen zum Zuge. Sowieso liegen Daniels Stärken in den Klargesängen, die erstaundlich vielseitig sind – und irgendwie erscheinen die Vocals im Gesamtbild viel präsenter und um einiges kraftvoller. Klar, Kalsbeek war vielleicht der etwas „feinere“ und technisch perfektere Mann, aber De Jongh verleiht TEXTURES einen geringfügig jugendlicheren und auch organischeren Touch, der einen möglicherweise bitter notwendigen U-Turn wider Routine-Fahrtrichtung gewesen sein könnte – so großartig „Silhouettes“ nämlich auch war: Ein „Silhouettes. Part II“ hätte womöglich Stagnation bedeutet.
FAZIT: „Dualism“ ist der Beweis dafür, dass Selbsttreue und Weiterentwicklung einander mitnichten ausschließen müssen, sondern bestens Hand in Hand gehen können. Auch eine Interpretationsmöglichkeit des Albumtitels, wenn man so will.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2011
Remko Tielemans
Daniel De Jongh
Bart Hennephof, Jochem Jacobs
Richard Riedtdijk
Stef Broks
Nuclear Blast
56:20
23.09.2011