Gebt acht, ihr Nimmersatten, es sind die Geister, die ihr gerufen habt: Da sehnten Hardliner sich jahrelang nach dem Autenthischen und Erdigen, nur um nun ununterbrochen von hochwertigen Blues- bis Bluesrock-Releases erschlagen zu werden. THE BLUESMASTERS steuern nun einen durchweg überraschungsarmen Traditionslangspieler bei, der vor allem von Mickey Thomas' Soulgesang lebt.
Die 2010er Scheibe wurde beim neuen Label im Vergleich zur uns nicht bekannten und allein gestemmten Erstveröffentlichung klanglich aufpoliert, tönt also in jedem Fall erhaben und stilgetreu. Die Interpretation von "Cherry Red" gibt einen veritablen, dennoch unspektakulären Opener ab, aber Muddy Waters' "Rock Me Baby" (das Urgestein ist auch mit "Can't Get No Grindin'" vertreten) gerät dank der Vocals zu einem frühen Gipfelpunkt. Schön zudem, dass man sich mit der Elvin-Bishop-Nummer "Fooled Around And Fell In Love" einen eher in der zweiten Reihe anzusiedelnden Standard vorknöpft. In "Sick And Tired" (unter anderem von Fats Domino bekannt) zockt auch der Rest der prestigeträchtigen Combo (allen voran der hier zurückhaltend agierende Aynsley Dunbar) passend zu ihrem Fronter spritzig los, derweil ansonsten zu sehr auf Nummer sicher gebluest wird.
"I'd Rather Go Blind" wurde totgenudelt und ist dementsprechend auch von THE BLUESMASTERS verzichtbar, falls man sich nicht sowieso die Frage stellt, weshalb generell zu häufig in diesem Genre nur Nachlass verwaltet wird, statt Neues an den Mann und die Blaufrau zu bringen. Robert Johnsons unverwüstlicher "Walking Blues" oder das ewig lange "Third Degree" von Willie Dixon vermögen da natürlich nicht, mit Antworten aus den Sümpfen zu waten. Der Held der Scheibe ist all dessen ungeachtet Doug Lynn, die gute Seele an der Blueharp. Gäste wie Magic Slim runden das Namedropping-Unterfangen ab, von dem Menschen, die es nicht abhaben können, wenn jemand sich allzu penetrant mit fremden Federn schmückt, dringend abgeraten sei. Schließlich schläfern THE BLUESMASTERS mit dem stark von einer müden Orgel geprägten "Long Time" als einziger Eigenkomposition ein … Geschichtsbewusstsein, gutes Handwerk und echte Kreativität gehen eben nicht miteinander einher.
FAZIT: Gibt man Noten für eine Coverscheibe? Nein. THE BLUESMASTERS liefern nette bis unnötige Interpretationen mal mehr, mal weniger offensichtlicher Blues-Tracks ab, die nur Überfans und Hörer kaufen sollten, die eine blaue Brille aufhaben. Wir Normalsterbliche, denen die Genialität solcher Second-Hand-Schoten natürlich gänzlich verschlossen bleibt, begnügen uns mit der frischen Jugend auf dem ansonsten wieder besser denn je bestellten Feld.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.06.2011
Danny Miranda
Mickey Thomas
Tim Tucker
Ric Ulsky
Aynsley Dunbar
Doug Lynn (harp)
Hypertension / Soulfood
44:47
20.05.2011