Es gibt auch Gutes aus Japan zu vermelden. VAMPILLIA aus Osaka zum Beispiel, die uns rund 25 Minuten musikalischen Wahnsinn bescheren. Für die Feststellung der Tatsache, dass das Elfergespann nicht mehr alle Stacheln im Kaktus hat, seltsam und anders ist und schön bekloppte Musik fabrizieret, benötigt man nur einen kurzen Blick auf die überlangen Songtitel und ein oder zwei Minuten Reinlauschen auf der Internetpräsenz der Band.
Um gleich mal die Zielgruppe abzustecken: Es dürften sich vor allem die freuen, die ARCADE FIRE, MR. BUNGLE, SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM, BOREDOMS, UNEXPECT, DIABLO SWING ORCHESTRA, FANTÔMAS, MIKE PATTON-Solostoff und all die Kaputtnik-Kapellen lieben gelernt haben und auch JOHN ZORN nicht abgeneigt sind, denn auch bei diesen verrückten Nippons geht stilistisch so ziemlich alles. Herzstück ist hier die klassische Komponente, die sich durch ein Streichertrio, Klavier und weiblichem Operngesang definiert. Außenrum wirbeln auf oftmals kakophone Weise die unterschiedlichsten Ingredienzien, von Extremmetal und Hardcore über native Einflüsse, Funk, Grindcore, Noise, Klezmer bis hin zu dadaistischem Lärm. Auf Songstrukturen verzichtet der wilde Haufen hierbei komplett, und so sind die 24 Songs (eigentlich 48, aber dazu gleich noch mehr) eher als ein 25-minütiges Gesamtwerk zu verstehen – spätestens dann, wenn man merkt, dass das Anfangsthema der Scheibe immer wieder als Reprise auftaucht. Demnach sollte man auch eher von Parts statt von Songs sprechen, denn manche dieser Songs, äh, Parts sind Zwei- oder Dreiminüter, andere wiederum dauern nur Sekunden.
Otto Normalhörer wird spätestens nach fünf Minuten die Flucht ergreifen, das dürfte klar sein. Doch möchte man gefordert werden und all die bizarren musikalischen Auswüchse, die elf Menschen zu erschaffen in der Lage sind, einfach nur bewundern und genießen, staunen und den Kopf schütteln, grinsen und „Was zum...?“ denken, dann liefert das asiatische Undezett das geeignete klangliche Szenario. Ist das erste Fünftel dieses Albums noch wunderbar harmonisch – man könnte meinen, es hier mit Kammermusik zu tun zu haben -, wird das Schöne mutwillig zerstört, apokalyptisches Inferno folgt auf „cabaret on speed“, dann wieder Stille, dann ein derber Gitarrenriff, hinterher wieder wilde Grooves. Und zum Schluss wieder sanfte Klassik und Seelenbalsam. Manchmal auch alles zusammen. Oder nebeneinander. Oder durcheinander. Künstlerischer Wert des Ganzen? Ansichtssache. Love it or hate it, so abgedroschen es sich auch lesen mag. Die Qualitätsskala ist bei VAMPILLIA ein Kreis, in welcher die 0 und die 15 ein und denselben Strich belegen.
Die Sache mit den 48 Songs erklärt sich folgendermaßen: Das Album besitzt, obwohl es musikalisch aus nur 24 Stücken besteht, zwei Cover, zwei verschiedene Tracklisten und somit zwei verschiedene Stories. „Rule the world“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Welt dominieren will. Mit Hängen und Würgen gelingt ihm dies. Wie wird die Welt nach alledem sein? „Deathtiny Land“ hingegen handelt vom Danach. Nachdem der Mann der ersten Geschichte die Weltmacht besitzt, baut er neben den berühmtesten Vergnügungsparkt der Welt seinen eigenen. Auch wenn man diese Dualität nicht unbedingt aus dem Album heraushört, so darf man dieses Experiment, diese Idee an sich, als ein mutiges Unterfangen sehen. Engstirnige Zeitgenossen werden wohl eher sagen: „Was für Spinner!“.
FAZIT: Gemischter exotischer Musiksalat! Musikkulinarische Anarchie! Dem einen schmeckt‘s, der andere könnte kotzen. So einfach ist das manchmal.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.04.2011
3 vox of invincibility of Geath (ROCK*STAR psychic Yamanashi o.t. plainest face i.t. world), Death (The koinobori mongoloid of a naive woodcutter) & OPERA (Terrible-monster Velladon). Unfolding by familiar strings trio, piano, twin guitar/drum/bass & DJ
Code666
25:09 oder 50:18
25.04.2011