Eigentlich wäre es an der Zeit, Michael Moorcocks Serienhelden Jerry Cornelius mal wieder aus der Versenkung zu holen, und seine grotesken und surrealen (Zeit)reiseabenteuer, gemischt mit hipper Swingin‘-London-Atmosphäre und dem messianischen Jim-Morrison-Derivat auf Speed als Reiseleiter, neu zu veröffentlichen oder gar zu verfilmen. Soundtracks dazu gibt es genug. Ganz vorne dabei VIBRAVOIDs neueste Liturgie aus einem Universum, in dem PINK FLOYD der Syd Barrett-Ära und HAWKWIND die wahren Stellvertreter eines regenbogenfarbenen Gottes sind.
Wobei es nicht darum geht, die Zuhörer einzulullen, sondern zum kosmischen Tanz aufzufordern.
Bester Wachmacher ist gleich der dynamische Opener „Seefeel“, der fast schon Hitpotenzial besitzt; zumindest aber Top-Scorer in der Jukebox im Restaurant am Ende des Universums sein dürfte. Nach dem kurzen, knackigen Einstieg in die Welt der Hypnosespiralen und wirbelnden Schlaghosen, preschen die restlichen Songs mit Geschick, aber auch verdammt weit in HAWKWINDs rockige Welt der PSI-Power vor. Dass wüst-repetitive „You Keep On Falling“ bietet gar eine Art Acid-Space-Punk, die “Urban Guerilla” dicht auf den Hacken..
Zentrales Stück des Albums ist die knapp 23-minütige Interpretation des FLOYDschen „Set The Controls For The Heart Of The Sun“. Eine Cover-Version, die sehr gut neben dem Original bestehen kann, führt sie den frühen Traumtrip PINK FLOYDs doch ins Post-Raumzeitalter, freies Schweben im Anti-Gravitations-Generator inklusive. VIBRAVOID lassen sich Zeit und entwickeln den langen Track mit Bedacht, damit das wuchtig einsetzende Schlagzeug seine volle Wirkung entfalten kann. Back In Pompeji.
Wohlklang und Kakophonie halten sich passend die Waage. Uppers und Downers konsequent und mit Gespür für Dramatik gefühlsecht verteilt. Im Hintergrund säuselt Grace Slick: „One pill makes you larger and one pill makes you small…” Und Jerry Cornelius tanzt dazu im fliederfarbenen Outfit, die Hosen natürlich eng geschnitten am Knie und weit schwingend an den Knöcheln. Michael Moorcock, Robert Calvert und Syd Barrett tanzen Ringelpiez mit anfassen.
"Turn on, Tune in, Drop out" funktioniert auch 2011 noch. Zumindest mit den “Minddrugs” von VIBRAVOID.
FAZIT: VIBRAVOID zeigen, dass (mittlere) HAWKWIND und (frühe) PINK FLOYD als Rollenmodelle noch lange nicht ausgedient haben. Das hat Kraft, ist selbst im meditativen Freiklang akzentuiert und aufrüttelnd genug, um nicht in beschaulicher Nostalgie im Weltall verloren zu gehen. Große Fußstapfen, adäquat ausgefüllt. Kaum mehr avantgardistisch, aber verdammt gut gemacht.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.05.2011
Bernd Mattern
Christian Koch
Christian Koch, Martin Lammert
Vibravoid
Pirmin Vlaho
Vibravoid
Sulatron Records
54:16
06.05.2011