Mit guten Traditionen soll man nicht brechen scheint das Credo von Rudy Ratzinger, dem Mann hinter :WUMPSCUT: zu sein. Seit "Wreath Of Barbs" in 2003 hat er jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht, was zur Folge hat, dass "Schrekk & Grauss" bereits der 18. (!) Lonplayer aus seiner Hand ist.
Ratzinger hat mit :WUMPSCUT: einen völlig eigenständigen, sofort wieder erkennbaren Sound erschaffen und auch auf dem neuen Album dominiert die faszinierend düstere Klangästhetik. Ein weiteres typisches Merkmal ist die überaus bewusste, manchmal schon zu plakative Provokation, die auf "Schrekk & Grauss" erneut ausgereizt wird. Es wird - und soll - nicht jedem gefallen, dass Ratzinger mit Songs wie "Rudolf Wolzek", der sich auf den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß bezieht, "Muselmann" oder "Patient A." mal wieder auf nationalsozialistische Themen bezieht. Kritik daran wird er vermutlich mit einem Grinsen im Gesicht an sich abprallen lassen - das gehört eben alles seit Jahren zum Konzept.
Musikalisch besinnt sich Ratzinger wieder häufiger auf ruhige, ambient-lastige Sounds, auch wenn die beiden ersten Songs mit kräftigen Beats aufwarten und die typischen, düster-krachigen Synthies präsentieren. "Muselmann" ist dann ruhiger, sphärisch und melodisch, zudem kommt hier Sängerin Aleta Welling zum Einsatz. "Elende Buben" und das spätere "Wumpelstilz" zählen zu den unauffälligeren Tracks und fügen sich lediglich ein. Das schwer morbide "Patient A." dagegen besteht neben der erneut ruhigeren Musik aus Samples, die die pathologische Entwicklung von eben jenem Patienten erzählen. Völlig abgedreht wird es dann mit "Jiddisch Is A Zwillink", Operngesang, Bläser und die titelgebenden Samples machen aus dem Song die wohl auffälligste Nummer auf dem Album. "Kikeriki" ist zunächst ein dämlicher Titel, doch auch ganz ohne Text erzählt der Song mit seinen Samples eine tödliche Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren und unschöne Bilder im Kopf entstehen lässt. Die beiden abschließenden Songs sind :WUMPSCUT:-Standardware.
FAZIT: "Schrekk & Grauss" ist einerseits schrekklich schön und stößt andererseits vor den Kopf. Wirkunsgsvolle Melodien und eine verstörende Atmosphäre zeichnen die Platte ebenso aus, wie zumindest fragwürdige Inhalte. Damit dürfte Ratzinger seine Mission als erfüllt ansehen. Man kommt jedoch nicht drum herum, festzuhalten, dass die besten Songs von "Schrekk & Grauss" und dem Vorgänger "Siamese" ein Hammeralbum ergeben hätten - stattdessen enthalten beiden Platten eben auch einiges an Füllmaterial. Vielleicht sollte Rudy den Ein-Jahres-Rhythmus doch auf zwei Jahre ausweiten und dann nur die Highlights auf ein Album packen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.05.2011
Betonkopf Media / Soulfood
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22.04.2011