„Hoppla, im Haus der alten Salem-Hexe ABIGAIL WILLIAMS hat sich aber einiges getan.“ So begann vor zwei Jahren mein Review zum Zweitling der amerikanischen Black-Metal-Truppe, die mal als CRADLE-OF-FILTH-Epigone gestartet war. War schon auf eben jener Scheibe der Bombast des Debüts einem eher straighten Riffing zum Opfer gefallen, haben sich ABIGAIL WILLIAMS auf „Becoming“ mal wieder selbst neu erfunden und nähern sich jetzt stark dem aktuellen Output der amerikanischen Natur-Banausen WOLVES IN THE THRONE ROOM. Ob das jetzt eine natürliche Entwicklung der Band, die ja irgendwie einen regen Musikeraustausch mit den belgischen Death-Grindern ABORTED betreibt, oder das Anbiedern an einen Trend ist, will ich hier gar nicht erst diskutieren, das Ergebnis ist auf jeden Fall recht überzeugend geworden.
Ungewohnt akustisch und mit Naturgeräuschen unterlegt beginnt „Becoming“ sehr ruhig, bevor die blast-unterlegte Schwärze über das Land fegt und das Laub von den düsteren nächtlichen Wäldern reißt. ABIGAIL WILLIAMS lassen sich Zeit und unterbrechen ihre Raserei immer wieder gekonnt mit ruhigen Passagen, gezupften Gitarren, leidenden Geigen, trostlosen Glocken und röchelndem Gesang, die Tiefe und Magie von WOLVES IN THE THRONE ROOM erreichen sie aber nur zum Teil, an einigen Stellen hätte man sich weniger ausladende Arrangements gewünscht.
Nichts desto trotz ist „Becoming“ ein beeindruckender Trip in die Weiten der menschenleeren Wildnis geworden, in der der Mensch, hier in Form von Sänger Ken Sorceron nur zweierlei bedeutet: Zerstörung und Hoffnungslosigkeit. Der Mastermind hinter ABIGAIL WILLIAMS hat ordentlich an seiner Stimme gefeilt und faucht und kreischt und leidet in seinen gezielt eingesetzten Gesangslinien, lässt den sechs überlangen Songs aber in den langen Instrumentalpassagen viel Raum zum Atmen und zur Entwicklung einer morbiden Stimmung. Und so passt „Becoming“ ausgezeichnet zur momentanen grauen und regnerischen Großwetterlage...
FAZIT: Von der Wiege des Borgir zu den Wölfen im Thronraum – ein weiter Weg, den ABIGAIL WILLIAMS zurückgelegt hat. Aber der hat sich gelohnt und macht „Becoming“ eindeutig zur bisher besten und reifsten Scheibe der US-Black-Metaller.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.01.2012
Bryan O' Sullivan
Ken Sorceron
Ken Sorceron, Ian Jekelis, Mike Flynn
Alan Cassidy
Candlelight Records
55:09
23.01.2012