Es wäre einfach gewesen für ADRAMELCH. Ganz einfach. Sie hätten einfach nur den Sound kopieren müssen, der ihnen vor fast 25 Jahren den Status einer „Kultband“ einbrachte. Als die Italiener nämlich 1988 mit „Irae Melanox“ erstmalig in Erscheinung traten, lagen ihnen die Fans des furiosen Progressive Metals im weltweiten Underground zu Füßen. Was die Combo seinerzeit aber nicht vor der recht schnellen Auflösung bewahrte. 2005 erschien „Broken History“, das „Comebackalbum“ mit alten Songs, die bis dahin noch nicht aufgenommen waren.
Und es wird mit Sicherheit zahlreiche Fans gegeben haben, die hofften, dass ADRAMELCH ihrem kraftvollem, dynamisch-verspielten Stil treu bleiben. Die schlechte Nachricht: Das sind sie nicht. Die gute Nachricht: Das ist völlig egal. Denn auch wenn ADRAMELCH auf „Lights From Oblivion“ den Anteil des progressiven Power Metals deutlich zurückgeschraubt haben und dafür verstärkt auf progressive Rockelemente setzen, tut das ihrer musikalischen Qualität keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil.
Allein die unverwechselbare Stimme von Sänger Vittorio Ballerio – den man optisch eher in eine Eros-Ramazotti-Coverband denn in eine Rockcombo stecken würde – lässt eine zentimeterdicke Gänsehaut entstehen. Der Frontmann versteht es wie kaum ein anderer, ungewöhnliche Gesangslinien zu kreieren, die so etwas wie der Schlüssel zum ADRAMELCH-Sound sind. Klar, die Musiker spielen sich in den einen oder anderen traumhaften Rausch, bieten ein höchst abwechslungsreiches Klanggerüst, das mittlerweile vermehrt ruhige Passagen aufweist.
Doch am Ende ist es vor allem Ballerio, der mit seiner glockenhellen, aber doch kraftvollen Stimme den Kompositionen die Krone aufsetzt („Aelegia“, „Islands Of Madness“, das perfekt betitelte „Wonderful Magician“). Trotz der etwas gelockerten Härteschraube schimmert immer noch die kompositorische Handschrift des Debüts durch, gelingt es ADRAMELCH wie kaum einer anderen Band, etwas Hymnenhaftes in ihre melancholischen Songs zu packen.
FAZIT: Wie schön, dass es Bands gibt, die es sich nicht einfach machen, die sich nicht alleine in ihrer musikalischen Vergangenheit suhlen. Stillstand ist Rückschritt – getreu diesem Motto gehen ADRAMELCH neue Wege, auf denen sich vielleicht der eine oder andere sturköpfige Fan von „Irae Melanox“ beim ersten Hören etwas verirrt, der aber soviel musikalische Substanz, Qualität und Individualität besitzt, dass jeder, der auch nur im entferntesten auf progressiven Rock und Metal steht, in „Lights From Oblivion“ hineinhören muss.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.04.2012
Maurizio Lietti
Vittorio Ballerio
Fabio Troiani, Gianluca A. Corona
Sigfrido Percich
Pure Prog Records
62:00
27.04.2012