Was lange gärt … nach einer ewigen Durststrecke für die Anhängerschar und diversen Skandälchen hat das US-Schlachtross AEROSMITH das vermutlich beste Album gestemmt, zu dem die auf Bildern bis zur Entwürdigung jugendlich getunten Musiker fähig sind. Dass die Alterslosigkeit akustisch viel glaubwürdiger anmutet, müsste den Amis in ihrem Hochglanz-Wahn endlich jemand mit Nachdruck einbläuen.
Lässt es Steven Tyler zwar stimmlich seit dem knallharten „Get A Grip“ ein wenig sachter angehen („Another Last Goodbye“ ist heuer sein QUEEN-affiner Höhepunkt aus der Feder von Desmond Child), obwohl er quasi unverändert klingt, sieht Joe Perry in seinen Lead-Songs „Freedom Fighter“ und „Something“ schlecht aus, bei ersterem auch kompositorisch, während letzteres dank Orgel und „Kashmir“-Akkordfolge zumindest origineller klingt als der Setzkasten „Closer“ dazwischen.
„Tell Me“ ist lange vorher das erste sachte Stück, aber eher ein üppig erweiterter Akustik-Track als kalkulierter Bombast. Diesen gibt es in aller Konsequenz dann bei „What Could Have Been Love“, das vor allem Russ Irwins Handschrift trägt. Der langjährige Mitspieler und -Schreiber ist in erster Linie für die vielen zwar perfekt arrangierten, aber austauschbaren Schmachtfetzen von AEROSMITH verantwortlich, bleibt auf „Music From Another Dimension“ jedoch ansonsten außen vor. Marti Frederiksen strickte den alten Herren und Gastsängerin Carrie Underwood das ebenfalls klebrige „Can't Stop Loving You“, aber auch den Klopfer „Lover Alot“, an dem ferner Kramers Sohn Jesse Sky beteiligt war. Im Übrigen tut es gut, den typischen Swing des Drummers wieder in so hoher Dichte zu hören, sei es während „Luv XXX“ oder im „Love In An Elevator“-Wiedergänger „Out Go The Lights“, dem allerdings eine zündende Riff-Idee fehlt. „Oh Yeah“ gefällt hingegen mit Damenchor und Brad Whitfield als Nebensänger, und es bleibt dabei: Die Band ist besonders stark, wenn sie alleine komponiert, wofür das flotte Geschoss „Street Jesus“ den wohl besten Beweis liefert.
Vieles beruht wie gewohnt auf einem einzigen, sofort ins Ohr gehenden Motiv, das im Laufe der Radio-freundlichen Spielzeit mehr oder weniger aller Tracks zum hypnotischen Strudel wird. Steuert dann jemand wie Pop-Gigantin Diane Warren ein Lied bei („We All Fall Down“), betrachtet man AEROSMITH wieder als Zwitterwesen: Einerseits ist da die klassische Hardrock-Band, die LED ZEPPELIN für den Yankee-Geschmack aufbereitete, andererseits die erzwungene Hit-Maschine, der man die orchestralen Balladen irgendwie nicht abkaufen möchte.
Dass auch „Beautiful“ mit dem bewährten Zuarbeiter Frederiksen geschrieben wurde, merkt man am epischen Refrain und dem dezent modernen Anstrich insbesondere der Produktion, wo ansonsten Null Zeitgeist herrscht, nicht einmal bei dem „American Idol“-Ding „Legendary Child“, das gemeinsam mit dem alten Songwriting-Kollegen Jim Vallance ersonnen wurde und zumindest US-Bürgern nunmehr zum Halse heraushängen dürfte. Tatsächlich ist es das Lied des Albums, bei dem sich am schnellsten Abnutzungserscheinungen einstellen.
Zieht man die Tracks ab, die der Mainstream-Pflichterfüllung dienen beziehungsweise dem zu großen Ego dieses oder jenes Beteiligten wegen auf der Scheibe landen mussten, bleibt „Music For Another Dimension“ mit Hinblick auf „Just Push Play“ und „Nine Lives“ das beste Album der Truppe seit gut zwanzig Jahren.
FAZIT: Ob dies das letzte AEROSMITH-Album war? Es wäre nicht der schlechteste Abgang, kratzt aber nicht an den Klassiker („Pump“) und wartet mit dem üblichen Kompromissprogramm auf, das prosaische Rock-Fans und Hausfrauen versöhnen soll: 15 mehr oder weniger fette Würmer, demnächst garantiert auch in Ihrem Ohr …
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.11.2012
Tom Hamilton
Brad Whitford, Steven Tyler, Joe Perry, Tom Hamilton
Joe Perry, Brad Whitford
Steven Tyler
Joey Kramer
Steven Tyler (Mundharmonika)
Sony / Columbia
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02.11.2012