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Anton & The Headcleaners: Rotor

Stil: Fusion

Cover: Anton & The Headcleaners: Rotor

Nachdem sie 1998 ein gerühmtes Debüt herausgebracht hatten, wurden THE HEADCLEANERS von Unit-Chef und Schweizer Jazz-Netzwerker Harald Haerter bekniet, einen Nachfolger zu ersinnen. Was lange währt, wird endlich gut, sagt sich der Avant-Fusionist angesichts von „Rotor“ …

Gemeinsam mit Trompeter Beat Affolter von der Latin-Formation PICASON sowie dem dänischen Rapper Brenner (der Sohn des Cousins von Lars Ulrich – ungemein wichtig, wie uns der Promo-Text weismacht) ist der Combo ein extremer Quertreiber zwischen hartem Jazzrock und Klangexperiment gelungen. Gleich im Titelstück wird stolpernd zu stotterndem Silbengesang gegroovt, was einem Intro ähnelt, sodass sich konkrete Melodiemotive erst mit „Reframing“ herauskristallisieren. Diese fallen indes polyphon aus, wodurch ein großes Vergnügen unterm Kopfhörer garantiert ist. Bassist Speedy wird seinem Spitznamen zwischendurch gerecht, und abermals ist es Drummer Rico, der stoisch, aber dennoch virtuos die Fäden zusammenhält.

Das hypnotische „Zen Metal“, der finstere Abschluss „Immortal“ (doofer Leerlauf hinterher) sowie das treibende, zwischendurch fast nach Videospiel-Soundtrack klingende „Breakfast With Osama“ gehören zu den aufregenden Highlights auf „Rotor“, doch auch relaxte Momente gibt es genug, wenngleich niemals seichte („False Flag Terrorism“, das melodische Wunderding „4 Fab“, „Ambivalenzia“). „Ugly Bluz“ stellt den Wortkünstler in den Vordergrund, wobei die Musik unweigerlich in die Beine geht. Hier standen wahrscheinlich TRIBAL TECH zu besten Zeiten Pate, denn Antons Gitarrenton erinnert stark an Scott Henderson in seinen organisch warmen Momenten. Aseptischer Saubermann-Fusion ist nämlich nicht das Metier von THE HEADCLEANERS; ihnen geht es zwar nicht zwanghaft, aber dennoch hörbar um … nun ja, Hörbarkeit eben, denn wer mit offenen Ohren durchs Leben geht, für den ist dieser Stoff mitnichten ungenießbar elitär, sondern vordergründig unterhaltsam wie spannend, so man genau lauschen möchte.

„Triangel“ wirkt dank seines tänzelnden Rhythmus und wegen der anachronistischen Synth-Sounds wie eine Dekonstruktion der verkopften Lesart freier Spielarten. Dass dieser Widerspruch unter Musikpolizisten besteht, weiß man – und umso schöner ist es, dass immer mehr Künstler ihn auflösen möchten. Wer sich am PANZERBALLETT und den Pfundskerlen von SCHIZOFRANTIK erfreut, wird sich hier vor Begeisterung den Hörnerv ausrenken.

FAZIT: Europa hat der Berklee-Studiomucker-Riege in Sachen Fusion-Kreativität längst den Rang abgelaufen. Auch THE HEADCLEANERS (jawohl, die Gedanken sind frei) spielen eindeutig mit Spaß an der Sache und begeistern den Soundsucher mit handwerklich seinesgleichen suchender Musik, wie sie ungeachtet als visionär verkaufter Trends in Wirklichkeit morgen gespielt wird – jede Wette.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2012

Tracklist

  1. Rotor
  2. Reframing
  3. Ugly Bluz
  4. Zen Metal
  5. False Flag Terrorism
  6. Breakfast With Osama
  7. 4 Fab
  8. Triangel
  9. Black Summer
  10. Ambivalenzia
  11. Immortal

Besetzung

  • Bass

    Speedy

  • Gesang

    So:ren Brenner, Andreas Schärer, Martina Schibler

  • Gitarre

    Anton Brüschweiler

  • Keys

    Ephrem Lüchinger

  • Schlagzeug

    Rico Baumann

  • Sonstiges

    Peter Fischer (Percussion), Beat Affolter (Trompete)

Sonstiges

  • Label

    Unit / Harmonia Mundi

  • Spieldauer

    51:25

  • Erscheinungsdatum

    14.09.2012

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