Oh Gott. Oh Gott. Oh Gottogottogott. Was habe ich mir da nur angetan? Im Kollegenkreis herrschte wissendes Grinsen, als „Poinium Cherem“, sechstes Album des BABYLON MYSTERY ORCHESTRA, in die Review-Verlosung ging. Nun gut, dass die Herren bei musikreviews.de hier und dort einen anderen Musikgeschmack als ich aufweisen – geschenkt, kleine Fehler haben wir ja alle. Bis dahin hatte ich noch gar nichts vom BABYLON MYSTERY ORCHESTRA mitbekommen. Das ganze Ausmaß der Katastrophe, die sich hinter „Poinium Cherem“ verbirgt, wurde mir erst klar, als ich die Reviews der Alben drei, vier und fünf meiner Kollegen hier las.
Nein, falsch, das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde natürlich schon klar, als „Poinium Cherem“ bereits das erste Mal eine komplette Umrundung im CD-Player absolviert hatte. Sidney Allen Johnson, Multiinstrumentalist, alleiniges Mitglied bei BMO, beinharter Christ, konservativer als der Papst und Ted Nugent zusammen, angesichts der Bilder auf seiner Homepage offensichtlich noch ein Stückchen narzisstischer als Rock’n’Rolf Kasparek, bläst zum wiederholten Kampf gegen all das Böse in der Welt. Und zum Bösen gehört seiner Meinung nach eine ganze Menge.
Auf früheren Alben schoss Hardcore-Jesus-Fan Johnson gegen den Islam oder den Satanismus. Auf „Poinium Cherem“ geht es gegen die Schattenseiten der Kunst, gegen Quantenphysik (…aha!) oder die Evolution. Das kann man alles unter christlicher Spinnerei abtun, was auch die zahlreichen Bibelzitate im umfangreichen Booklet unterstreichen. So richtig ärgerlich, nein, ekelhaft wird es aber, wenn Johnson gegen Homosexualität wettert, diese als „krankhafte Besessenheit“ tituliert und in unmittelbare Nähe zur Pädophilie rückt. Schlimm und traurig, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung den verbalen Durchfall eines solchen Spinners zulässt, leider zulassen muss.
Muss man noch etwas zur Musik sagen, wenn man weiß, wes Geistes Kind der Urheber ist? Nun, nur aus Gründen der Vollständigkeit: Dumpfer, öder, komplett spannungsloser Heavy Rock mit düsteren Gothic-Anleihen lässt den Hörer schon nach fünf Minuten gähnen; die Tatsache, dass das einfallsarme Drumming jeden Song wie den anderen klingen lässt sowie Johnsons monotone, nahezu durchgehend in ein und derselben Tonlage gesprochenen und extrem leise in den Hintergrund gemischten „Vocals“ lassen endgültig auch die musikalische Seite dieser Produktion in die Mülltonne rutschen. Wo der lyrische Teil ohnehin schon bestens aufgehoben ist.
FAZIT: Am Ende gibt’s doch noch etwas Gutes: Johnson spricht davon, dass „Poinium Cherem“ möglicherweise das letzte Album vom BABYLON MYSTERY ORCHESTRA ist. Liebe Mitbrüder und -schwestern, wollen wir stark sein im Glauben und einig in der Hoffnung, dass dem so sein wird. Amen.
Punkte: 1/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.09.2012
Sidney Allen Johnson
Sidney Allen Johnson
Eigenproduktion
55:56
26.07.2012