Die Schweden BEARDFISH machen auf ihrem neuen Album das einzig Richtige zwischen Retro-Wahn und krampfhafter Neuerung – sich in ihrer von jeher originellen Blase wohlfühlen und konsequent weiterentwickeln. Metal dabei nicht ausgeschlossen …
Gleichwohl: Geht man nach dem, was andernorts über „The Void“ geschrieben wird, muss es sich fast um ein skandalöses Album handeln, aber nichts da; wenn Andy Tillison im knappen Intro die Story der Scheibe umreißt, hat dies nach wie vor etwas von naivem Wald-und-Wiesen-Prog, und diesem Stil – ohne das in dessen Kreisen oft geächtete M-Wort – ist die Gruppe auch weiterhin verhaftet. Dass die Gitarren in „Volutary Slavery” weniger hintersinnig flirren als bleiern riffen, dass die Rhythmusgruppe hämmernd thrashige Gesten beschreibt und klassische Hooks auf direktem Weg ins Ohr gehen, ändert daran überhaupt nichts.
Rikard Sjöblom schlüpft in Rollen und erweist sich als klasse Sänger, ist mal ein kleiner Tom Waits, schwenkt dann zwischen Dave Grohl und, äh – Grollen hin und her oder mimt im viertelstündigen „Note“ den Prog-Zeremonienmeister beziehungsweise Geschichtenerzähler im relativ gemäßigten „Ludvig & Sverker“, das dem ursprünglichen Stil der Band noch am nächsten kommt. Immer bleibt er Dreh- und Angelpunkt von BEARDFISH, die längst begriffen haben, dass ohne aussagekräftigen Frontmann auch der lauteste Spielwitz nicht zum Lachen taugt.
„The Void“ prägt ein dualistisches Prinzip: „Turn To Gravel“ wiegt sich wie ein Blumenkind im Freudentaumel und trägt den Plattentitel im sinnigen Text, „He Already Lives In You“ klingt nach Orgel-Doom, solange kein Gesang ansteht. In „They Whisper“, das den Synthesizer als tragendes Element des Bandsounds an dritter Stelle auf diesem Album relativ spät etabliert, klingen die fast unvermeidbaren BEATLES an, wohingegen „This Matter Of Mine“ ohne gewollt expressionistische Längen fließt, nicht ohne theatralische Vocals, die der besten Metallspitze gerecht werden, und ein instrumental fulminantes letztes Drittel.
Zu dieser Zweisamkeit von stilistischen Ausdrücken gehört auch, dass BEARDFISH ein wenig von ihrer Unschuld verloren haben, obwohl das quirlige Moment der Vorgänger nicht gänzlich dahin ist. Davon zeugt allein schon das Instrumental „Seventeen Again“, das vom Klang her Jazz mit Piano und zurückgenommener Gitarre ist, aber kompakt in rund acht Minuten über die Bühne geht, quasi als hörbar freudiger Tribut an jugendliche Entdeckungsfreude. Unter den Tisch kehren sollte man andererseits nicht den untypisch drögen Abschluss „Where The Lights Are Low“, einen schummrigen Schleicher ohne zündende Idee.
Neugierigen kann all dies ungeachtet etwaiger Szenezugehörigkeit nur recht sein: BEARDFISH bleiben Prog im eigentlichen Sinn, nämlich virtuos, erfinderisch und vor allem unbequem für jene, die Erwartungen an sie stellen. Dabei sind sie zugleich authentischer – und vor allem keiner abgeschmackten Ästhetik verhaftet – als manch bemühter Stahlträger.
FAZIT: „The Void“ ist eine frische und kraftvolle Prog-Rock-Scheibe geworden, der man die Herkunft Skandinavien nicht unbedingt anhört. Die Songs stimmen bis auf den letzten, die Musiker spielen befreit auf und etablieren den Namen BEARDFISH allerspätestens jetzt als Marke. „So I found myself staring straight into the sun“: auf diese Weise darf es weitergehen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.08.2012
Robert Hansen
Rikard Sjöblom
David Zackrisson, Rikard Sjöblom
Rikard Sjöblom
Magnus Östgren:
Inside Out / EMI
69:54
24.08.2012