Zurück

Reviews

Beyond The Bridge: The Old Man & The Spirit

Stil: Progressive Metal

Cover: Beyond The Bridge: The Old Man & The Spirit

Newcomer-Bands soll man ja als Kritiker immer erst einmal etwas sanfter anfassen, also praktizieren wir das auch im Falle von BEYOND THE BRIDGE - auch wenn Gitarrist Peter Degenfeld-Schonburg und Keyboarder Christopher Tarnow schon seit 2005 daran feilen, ihre konzeptionelle Story „The Old Man & The Spirit“ in ein musikalisch passendes Progressive-Metal-Gewand zu stecken.

Nun denn, also zunächst einmal die positiven Aspekte: Die Frankfurter schaffen es auf ihrem Debüt, einen überaus abwechslungsreichen Stilmix zu einem stimmigen Gesamtbild zu vereinen. Wobei jetzt, bitteschön, das Wörtchen „Stilmix“ nicht zu wörtlich genommen werden sollte: „Stilmix“ insofern, als dass alle Zutaten zu „The Old Man & The Spirit“ entweder in die Schublade „Metal“ oder „Progressive“ passen.

Die Einflüsse sind dennoch vielfältig: Manche warm tönende Gitarrenpassage oder abgefahrene Drumfigur erinnert an DREAM THEATER der frühen 90er Jahre; opulente Instrumentierungen und atmosphärische Keyboardpassagen lassen Erinnerungen an ROYAL HUNT oder gar MEAT LOAF aufkommen, oder, um im schwermetallischen Kontext zu bleiben, AVANTASIA oder SAVATAGE. Dann geht es wieder straight-metallisch zur Sache, bevor Dilenya Mar, die sich mit Herbie Langhans die Vocals teilt, den Hörer in Richtung female-fronted-Metal dirigiert – und das, obwohl die brillante Sängerin so rein gar nichts mit dem üblichen, glockenhellen Trällergesang von WITHIN TEMPTATION und Co. am Hut hat, sondern vielmehr eine kraftvolle, voluminöse aber dennoch saubere Stimme besitzt.

Im nächsten Moment meint man schon wieder, eine SYMPHONY-X-Passage zu vernehmen, bevor lateinamerikanische Akustikgitarren einen Bogen zu ANGRA zur „Holy Land“-Phase schlagen. Man könnte noch lange weiter analysieren, doch auch so sollte dem Leser klar sein: BEYOND THE BRIDGE bleiben ihrem Stil treu, ohne sich zu limitieren. Aber sie kopieren nicht nur Bekanntes, sondern schaffen es, aus all den genannten Einflüssen einen ganz eigenen Sound zu kreieren.

Weiter geht’s mit dem Positiven: Sängerin Dilenya Mar wurde schon erwähnt, und auch ihr Mikrofon-Kollege Herbie Langhans fällt angenehm auf: Langhans ist keiner dieser weinerlichen Prog-Metal-Haucher, sondern einer, der als echter Metal-Frontmann durchgeht. Seine feste Stimme, die auch bei heftigeren Passagen nicht kippt oder bricht, passt perfekt zum Sound und ergänzt sich ebenso hervorragend mit den weiblichen Vocals. Auch – und daran scheitern nicht eben Wenige – die zerbrechlichen, sanften Momente des Albums meistert das Stimmduo in perfekter und eindringlicher Harmonie.

Die Songs an sich sind bis zu neuneinhalb Minuten lang – so gehört sich das eben für eine Prog-Metal-Combo, und obwohl das Album deutlich über eine Stunde Spielzeit aufweist, wird es zu keiner Sekunde langweilig. Egal, ob es eher kraftvolle, metallastige Songs wie „The Call“ oder „Doorway To Salvation“, abgefahrene „Guck mal, was wir können“-Instrumentals wie „Triumph Of Irreality“, Momente zum Träumen wie „World of Wonders“ und „Where The Earth And Sky Meet“ oder mächtige Epen wie „All A Man Can Do“ sind: Jeder einzelne Song ist ein kleines Meisterwerk. Und auch nach dem 15. Hören entdeckt man immer noch wieder etwas Neues – sei es eine kleine Soundspielerei, sei es ein Gitarrenpart oder eine leicht abgewandelte Gesangsmelodie, die man zuvor in einem anderen Song bereits gehört hat. Überhaupt, die Gesangsmelodien: Ein weiteres Highlight auf „The Old Man & The Spirit“; trotz all der dominanten Gitarren und Keyboards, trotz der variablen Drumarbeit setzen sich Mar und Langhans, teilweise unterstützt von digital aufgepeppten Chören, immer wieder in Szene und sorgen für Gänsehautmomente.

Um die positiven Aspekte abzurunden: Auch die Produktion ist stimmig, wirkt trotz der vielen Spuren nicht überfrachtet, drückt ordentlich, ist transparent und gibt allen Instrumenten und Stimmen genügend Raum.

So, jetzt aber genug auf Schmusekurs mit einem Newcomer gegangen, es wird Zeit für die negativen Dinge an „The Old Man & The Spirit“:

-

FAZIT: Ja, richtig gelesen. Der Kritiker hat am Debüt von BEYOND THE BRIDGE nichts zu kritisieren. „The Old Man & The Spirit“ ist ein von vorne bis hinten durchdachtes und in sich stimmiges Prog-Metal-Album, eine fast 70 Minuten dauernde Gänsehaut in unterschiedlicher Dicke. Hammermelodien, Songs an der Grenze zur Perfektion, ein fantastisches Gesangs-Duo – wir haben zwar erst Januar, aber im Moment fällt es schwer zu glauben, dass in diesem Jahr noch ein Prog-Metal-Album diese Göttergabe, die wie aus dem Nichts aufgetaucht ist, toppen könnte. Ein Zähler bis zur Maximalpunktzahl wird weggelassen - zur Motivation der Band. Vielleicht - schwer vorstellbar, aber dennoch möglich - wird „The Old Man & The Spirit“ ja doch noch getoppt. So oder so: Bitte nicht so lange Zeit lassen wie mit dem Debüt!

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.01.2012

Tracklist

  1. The Call
  2. The Apparition
  3. Triumph Of Irreality
  4. The Spring Of It All
  5. World Of Wonders
  6. The Primal Demand
  7. Doorway To Salvation
  8. The Struggle
  9. The Difference Is Human
  10. Where The Earth And Sky Meet
  11. All A Man Can Do

Besetzung

  • Bass

    Dominik Stotzem

  • Gesang

    Dilenya Mar, Herbie Langhans

  • Gitarre

    Peter Degenfeld-Schonburg, Simon Oberender

  • Keys

    Christopher Tarnow, Simon Oberender

  • Schlagzeug

    Fabian Maier

Sonstiges

  • Label

    Frontiers

  • Spieldauer

    69:34

  • Erscheinungsdatum

    20.01.2012

© Musikreviews.de