So langsam ist ein Ende des Metalcore-Booms abzusehen, die Schwemme an mittelmäßigen Veröffentlichungen in diesem Genre hat in den letzten Monaten merklich nachgelassen. Es kristallisiert sich heraus, dass - wie bei jedem anderen Trend - nur die Bands übrig bleiben, die sich mit Durchhaltevermögen, Konstanz und vor allem der Fähigkeit, richtig gute Songs zu schreiben, von der Masse absetzen können. Zumeist sind das dann auch die Bands, die schon lange mit dabei sind, wie HEAVEN SHALL BURN oder deren Kumpels von CALIBAN.
"I Am Nemesis" ist das achte Album der Band aus dem Ruhrpott und glänzt mit Abwechslungsreichtum, einem Songwriting auf hohem Niveau und einem wirklich guten Sound. Hier können selbst HEAVEN SHALL BURN noch was lernen, denn deren letztes Werk "Invictus" war schwer überproduziert und nervte mit seinem zu lauten Sound. "I Am Nemesis" dagegen klingt so, wie eine Platte dieses Genres klingen muss: fett, wuchtig, modern - aber eben nicht übersteuert. CALIBAN werfen auf ihrem neuen Album darüber hinaus alles zusammen, was man im modernen Metal mag (oder eben auch nicht): Groove, Melodie, Emotionalität. Typischer Metalcore trifft auf Screamo und melodischen Death Metal und wird angereichert mit gelungenen und nie aufdringlichen Keyboards. Hinzu kommen ein paar zeitgenössische Elemente wie flirrende Gitarren und dezente rhythmische Ausflüge ins angesagte Djent- bzw. Mathcore-Gebiet. Sänger Andreas Doerner brüllt und schreit alles in Grund und Boden, immer wieder setzt man aber auch in den Refrains Klargesang ein, der aber zu keiner Zeit zu cheesy wirkt.
Sieht man mal davon ab, dass die "We are, we are"-Shouts im Opener "We Are The Many" etwas zu sehr an den HEAVEN SHALL BURN-Smasher "Endzeit" erinnern, ist auch das Songwriting eigenständig und gutklassig - und das durchgängig. Ausfälle gibt es keine, lediglich "Open Letter" wirkt etwas beliebig. Dafür gibt es mit "Memorial", das gekonnt zwischen brachial und poppig pendelt, dem abwechslungsreichen "Davy Jones" und dem mit coolen Keyboards ausgestatteten "Broadcast To Damnation" lupenreine Hits. Ebenfalls erwähnenswert: das ruhigere, schwermütige "This Oath", das brachiale "Deadly Dream" und das am deutlichsten nach Göteborg tönende "No Tomorrow". Es ist schon beachtlich, wie spielerisch leicht es CALIBAN fällt, Eingängigkeit und Härte zu kombinieren, ohne einen dieser Faktoren vernachlässigen zu müssen.
FAZIT: Dass "nur" elf Punkte unter diesem positiven Review stehen, hängt mit den subjektiven Vorlieben des Verfassers zusammen, zwölf oder dreizehn Punkte wären hier auch nicht unangemessen. Mit "I Am Nemesis" zementieren CALIBAN ihren Status als deutsche Speerspitze in Sachen zeitgemäßen Metal neben HEAVEN SHALL BURN. Fragt sich nur, warum man so ein gutes Album mit so einem unansehnlichen Coverartwork versieht.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.02.2012
Marco Schaller
Andreas Doerner, Denis Schmidt
Marc Goertz, Denis Schmidt
Patrick Grün
Century Media / EMI
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03.02.2012