Wer dachte, dass für CALLEJON mit dem Plattenvertrag bei Nuclear Blast das Ende der karrieretechnischen Fahnenstange erreicht war, sieht sich getäuscht. Nachdem der Vertrag mit der Donzdorfer Stahlschmiede 2010 - wie es so schön heißt in beiderseitigem Einvernehmen - aufgelöst wurde, stehen die Rheinländer mit Sony nun bei einem Major unter Vertrag. Dort ist man offenbar und sicher nicht zu Unrecht der Meinung, dass auch der Mainstream durchaus mit CALLEJON etwas anfangen kann.
Sein viertes Album hat der Fünfer schlicht nach seinem Markenzeichen benannt: dem "Blitzkreuz". Die musikalische Ausrichtung ist grundsätzlich die gleiche geblieben, allerdings mit ein paar Veränderungen im Detail. Eine Vorliebe für höchst eingängige Refrains und prägnante (Gesangs-)Melodien, die gerne auch mal an der Grenze zum Kitsch tänzeln, hatten CALLEJON schon immer. Ob es an der Tatsache liegt, dass man jetzt bei einem Major unter Vetrag steht, geschuldet ist, dass das Songmaterial nun noch ein bisschen leichter konsumierbar ist, sei dahingestellt. Ein poppig-tanzbarer Song wie "Meine Liebe" hat jedenfalls durchaus Hitpotenzial und würde im Radioprogramm der "Jugendsender" der ARD auch härtetechnisch nicht zu sehr aus dem Rahmen fallen. Ähnliches gilt für den Rausschmeißer "Kind im Nebel", wo der wehmütige Blick zurück lyrisch ein wenig an DIE TOTEN HOSEN erinnert und die Musik mit Streichern unterlegt ist.
Anders sieht es dagegen bei den härteren Songs aus, bei denen mehr Geschrei zum Einsatz kommt und die Metal-Wurzeln mit Doppelleads und Anleihen an Thrash und Melodic Death Metal deutlicher zum Tragen kommen. Dann präsentieren sich CALLEJON als Metalcore-Band mit einem guten Händchen für die ausgewogene Mischung aus Härte und Musikalität. Ein paar zeitgemäße Electro-Einsprengsel dürfen da natürlich nicht fehlen. Ebenfalls gelungen sind die Texte, die im starken Titeltrack direkt am Anfang und im mit guter Gitarrenarbeit ausgestatteten "Atlantis" mit bissiger Gesellschaftskritik überzeugen. Ebenfalls kritisch, aber auf höchst politisch unkorrekte Art und Weise geht es in "Porn From Spain 2" zu, bei dem stimmlich nicht nur wieder Rapper K.I.Z. mit von der Partie ist, sondern auch KREATORs Mille und Sebastian Madsen von MADSEN. Auch persönliche Texte, die gleich mehrfach das Thema Abschied beinhalten (2010 verstarb Bassist Sebastian Gallinat), sind mit dabei ("Vergissmeinnicht", "Bevor du gehst").
Dass CALLEJON inzwischen bei einem Major unter Vertrag stehen, wird deutlich, wenn man liest, wer für den mächtigen Sound des Album mit verantwortlich ist, nämlich Colin Richardson (MACHINE HEAD, SLIPKNOT, TRIVIUM u.a.), der den Mix übernommen hat und Ted Jensen (DEFTONES, GREEN DAY, PANTERA, MASTODON), der für das Mastering zuständig war.
FAZIT: CALLEJON haben ihren unverkennbaren Stil behutsam in Richtung Massentauglichkeit weiterentwickelt, ohne aber die "alten" Fans zu verprellen. Das ist verständlich und logisch, der Vorgänger "Videodrom" war im Ganzen aber noch ein bisschen stärker.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.06.2012
Thorsten "Totti" Becker
Bastian "BastiBasti" Sobtzick
Bernhard "Bernie" Horn, Christoph "Kotsche" Koterzina
Maximilian "Kotze" Kotzmann
Sony
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15.06.2012