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Den Beginn ihres geplanten Abschieds auf Raten haben sich CANDLEMASS gründlich versaut: Quasi "in true and legendary Candlemass style" (wie um sich selbst und dem eigenen Chaos treu zu bleiben) feuert man Sänger Robert Lowe eine Woche vor Veröffentlichung des groß angekündigten, definitiv letzten Albums. Anschließend wollte sich die Band laut ursprünglichem Plan noch ein paar Jahre auf Live-Auftritte beschränken, hat aber jetzt gar keinen festen Sänger mehr. Leif Edlings Kumpel Mats Leven (die beiden musizieren gemeinsam bei KRUX) springt nur als Aushilfe für die wenigen bereits gebuchten Shows ein. Und ob es Sinn macht, jetzt einen neuen Mann nur für den ausgedehnten Abschied zu engagieren, ist mehr als fraglich.
Es ist also einmal wieder unklar, wie es mit den schwedischen Doom-Königen weitergehen wird. Man muss es leider so hart sagen, die Band hat wohl den richtigen Zeitpunkt zum Abtreten verpasst. Der gefeierte Vorgänger "Death Magic Doom" (2009) klang so stark nach klassischen CANDLEMASS wie keines der Alben seit der Reunion. Anschließend wurde das 25. Jubiläum mit einigen Shows mit Ur-Sänger Johan Längqvist und der Veröffentlichung des Boxsets "Doomology" zelebriert. Die Band war nach einer überaus erfolgreichen Zeit bei Nuclear Blast wieder vertragsfrei, das wäre wohl der Zeitpunkt zum Aufhören gewesen. Doch jetzt schiebt man mit "Psalms For The Dead" das sogenannte "Farewell"-Album nach, welches aus verschiedenen Gründen, soviel sei vorweggenommen, nicht wirklich dem Anlass entspricht. Der Abgang des seit fünf Jahren etablierten und wohlgemerkt noch auf der Platte zu hörenden Sängers bestätigt nur das rundum unglückliche Timing.
Aber nun zum eigentlichen Thema, wie klingt denn "Psalms For The Dead"? Wo der Vorgänger sehr fokussiert, klar arrangiert, durchdacht und damit eingängig wirkte, gehen CANDLEMASS hier experimenteller und sperriger zu Werke, stellenweise gar ein wenig konfus. Richtige Hits lassen sich nur schwer ausmachen, stattdessen werden ausgerechnet auf dem letzten Album der Band einige neue Elemente prominent platziert. Neben den typisch düsteren Stücken gibt es einige für CANDLEMASS-Verhältnisse fast fröhliche Gitarrenmelodien (z.B. im Opener und im Titeltrack) und beschwingte, rockige Nummern wie "Dancing In The Temple (Of The Mad Queen Bee)" oder "The Killing Of The Sun" zu hören. Ungewohnt offensichtlich sind hier der BLACk-SABBATH-Einfluss und ein gewisses Siebziger-Jahre-Flair spürbar. Dass Leif Edling eine Schwäche für schräge Keyboard- und Orgelsounds hat, weiß man bereits aus seinen anderen Projekten. Aber ob man ein ganzes CANDLEMASS-Album damit zukleistern muss, ist zumindest diskussionswürdig. Im Gegensatz zu den typischen Gitarrenriffs, die sind einmal wieder ganz große Klasse, klingen unglaublich massiv und ergänzen sich perfekt mit den überragenden Leads von Lars Johansson.
Leider fällt aufgrund der weniger eingängig strukturierten Songs das Fehlen der großen Melodien diesmal deutlich stärker ins Gewicht. Auch auf den letzten Alben gab es einen Mangel an echten Refrains und majestätischen
Gänsehautmelodien zu vermelden, die früher ein Markenzeichen der Band waren. Die zwingenden Songstrukturen auf "Death Magic Doom" konnten dies noch weitestgehend ausgleichen. Diesmal verzettelt man sich jedoch einige Male, ohne richtig zum Abschluss zu kommen. Soll heißen, oft wartet der Hörer vergeblich auf einen Höhepunkt. Ganz schlimm z.B. in "Siren Song", das lediglich aus zwei Parts besteht, die jeweils wiederum nur aus zwei, drei durchgeschlagenen Akkorden aufgebaut sind. Wie um den mangelnden Einfallsreichtum zu kaschieren, darf die Hammond-Orgel den ganzen Song lang durchdudeln und sogar solieren. In anderen Tracks schiebt die Band nach zunächst interessantem Beginn oder der typischen Laut-/Leise-Dynamik, die Robert Lowe beherrscht wie kein Zweiter, einfach keinen echten Refrain nach. Stattdessen gibt es verschiedene Breaks oder Zwischenparts zu hören oder der (Ex-)Sänger muss einmal wieder einfallslos den Songtitel mehrmals hintereinander intonieren. Egal, ob nun "prophet... prophet...", "waterwitch... waterwitch..." oder "time is black... time is black...", das Prinzip ist meist das gleiche. Generell kleben die Gesangslinien einfach zu oft an den Gitarren und heben sich kaum ab. Letztendlich fräsen sich Nummern wie z.B. die ersten drei Tracks auch so ins Hirn, aber frühere Refrains waren sowohl melodisch als auch lyrisch interessanter. Lediglich das gutklassige Titelstück bietet den Ansatz zu einer ergreifenden Hookline, die aber dann in der Mitte abgewürgt wird.
Die meisten Riffs auf dem Album machen trotzdem Spaß und bieten den typisch schweren CANDLEMASS-Sound, der zudem perfekt produziert wurde. "Prophet" oder "Black As Time" ragen hier besonders hervor. Aber reicht das für das letzte Studiowerk einer Legende wie CANDLEMASS?
FAZIT: Als würdiger Abschied taugt "Psalms For The Dead" aufgrund des eher untypischen Songmaterials nicht wirklich, das dritte Album mit Robert Lowe am Mikro ist zudem das schwächste der Reihe und für mich persönlich eine große Enttäuschung. Losgelöst von den ganzen Widrigkeiten und Erwartungen bietet "Psalms For The Dead" dennoch einiges: jede Menge tonnenschwerer, massiver Riffs und eine herausragende Leadgitarrenarbeit, die ausgezeichnet produziert wurden, sowie einen ausdrucksstarken Sänger, der leider nur keine vernünftigen Melodien zu singen bekommt. Das mag dem ein oder anderen sogar zusagen, da es weniger pompös, bomabastisch und "kitschig" wirkt, sondern in den besten Momenten fieser und düsterer als der klassische CANDLEMASS-Sound. Über weite Strecken klingt das Material dadurch jedoch nicht packend und schlüssig genug, sondern wie eine etwas beliebige Zusammenstellung toller Doom-Riffs.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.06.2012
Leif Edling
Rob Lowe
Mats "Mappe" Björkman, Lars "Lasse" Johansson
Jan Lindh
Napalm / Edel
50:13
08.06.2012