CHARLES PASI ist ein Crooner. Aber keiner, der botoxgeschwängerte Gesichter in Las Vegas zum Glühen bringt, sondern der im Straßencafé die Belegschaft um Mitternacht unterhält. Der keine Scheu vor Grenzüberschreitungen von Blues zu Jazz, Rock und Funk besitzt und auch Hip Hop kennt. Er vereint die düster hingerotzte Mentalität eines TOM WAITS – allerdings ohne dessen brüchig-rauchigen Vortrag - mit dem vorwärtsdrängenden Crossover der RED HOT CHILI PEPPERS, zumindest punktuell („Wild It Up“).
Ein gefühlvoller Sänger ohne falsche Sentimentalität, der Lässigkeit von Langeweile zu unterscheiden weiß und der seinen Mitmusikern genügend Raum lässt, um Akzente zu setzen. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass u.a. Jazz-Legende ARCHIE SHEPP zu PASIs Begleitern gehört. Doch auch die anderen Musiker agieren präzise und druckvoll, sodass nie Gefahr besteht, die Musik könnte in einem gepflegten Fließmodus dahinplätschern.
Erdiger Blues liefert das Grundgerüst von dem aus PASI und Band ihren Sound in diverse Richtungen oder eher Facetten entwickeln. CHARLES PASI selbst spielt eine ordentliche Harmonika; wenn er loslegt, dürfen Jim Grandcamp und die Rhythmusgruppe auch schon mal gen Hardrock ausbüchsen („Lost Generation“), um im nächsten Stück „Things Have Changed“ zum dezenten Blues-Funk mit Feeling und street credibility zurückzukehren. „While You’re Dancing“ ist schließlich ein Slow-Fox für die ganz späten Nacht-, bzw. frühen Morgenstunden.
Das harmoniert trotz der unterschiedlichen Tempi und Einflüsse hervorragend, denn beherrschend bleibt der unaufgeregte Crooner mit viele Seele und dem Wissen, was so durch die Nacht flaniert. „Uncaged“ erlaubt sich mit einem Lullaby (“Une Bercuse“) und einer Coverversion auszuklingen. „Dream A Little Dream Of Me“ als Barhocker-Schwanengesang zur verhalten gespielten, akustischen Gitarre und schütterem Tambourine. Passt!
FAZIT: Zeitlose Musik im besten Sinn. Eine seelenvolle Nachtfahrt durch die Jazz- und Rockgeschichte der letzten 70 Jahre. Neidlos muss man anerkennen: Wir haben XAVIER NAIDOO, Frankreich CHARLES PASI. Manchmal ist es verdammt cool Franzose zu sein. Ich tausche fünf NAIDOOs gegen einen PASI.
PS.: „Uncaged“ ist bereits 2011 mit anderem Cover bereits einmal erschienen. Zumindest in Frankreich.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.06.2012
Jimi Sofo
Charles Pasi, Emma Lamdji & Clara Pasi (choir)
Jim Grandcamp
Fred Dupont, Julien Brunetaud (3)
Jon Grandcamp
Charles Pasi, Archie Shepp (sax on 2, 3),
Believe/Indigo
42:40
01.06.2012