Verhuschter Frauengesang, an den richtigen Stellen platzierte Orgelsounds und rhythmische Variation heben bei diesem Seitenarm der Frankfurter POLYTOXICOMANE PHILHARMONIE das Gute im Space-Rock vom Drögen ab – und von den bewegten Bildern, die diesem Einstand beiliegen, haben wir dabei noch gar nicht besprochen.
Der Reihe nach: Der Schulterschluss der Instrumentalisten mit der Österreicherin MichaeLa Flame erweist sich insofern als Schelmenstreich, als die Musiker zugleich ein (okay, zugegebenermaßen nur wenig) breiteres Publikum ansprechen und dennoch weiterhin dem Liebhaber-Stil frönen dürfen, den sie seit je spielen. Dass dieser sehr bunt ausfallen kann, bezeugt die CHICKENCAGE EXPERIENCE selbst über die unchristliche Spielzeit von über 70 Minuten hinweg. Im Opener „The Eternal End“ ragen Streicherklänge heraus, das flirrende, über weite Strecken Rhythmusgruppen-lose „Lascivious Dungeon Tales“ setzt bereits früh ein Ausrufezeichen, und „Unobtrusive But With Style“ kommt mantrisch mit Bläsern aus dem Off.
Andeutungsweise verarbeitet die Gruppe hin und wieder Reggae-Beats, die gen OZRICs schielen, und das definitive Highlight ist neben dem mitreißenden Finale „Homesick Tours“ (die Ruhepunkte darin wirken umso besser) das 18-minütige „The Owl, The Bell, And The Club Of Veterans“, denn so viele konkrete Melodien wünscht man sich häufiger auf der Scheibe und in diesem Genre generell, wo oft zu beharrlich angedeutet und nicht durchdacht wird. So ist etwa „Ride Ridden Shine“ nicht viel mehr als eine stimmungsvolle Tapete, doch denjenigen, die darauf schwören, gefällt vermutlich vor allem die unterschwelligen Veränderungen im Sound, der nach wahrgenommenen Ewigkeiten letztlich doch ein anderes Gesicht bekommt.
Dass es sich hierbei von vorne bis hinten um eine Herzensangelegenheit handelt, verdeutlicht auch die Aufmachung: Foldout-Digipack aus angerauter Pappe mit tollem Artwork und eben die zusätzliche DVD. Darauf zu sehen gibt es mit dem Album als Hintergrund-Soundtrack erwartbar psychedelische Bilder und längere Spoken-Word-Passagen der Chanteuse, was die Atmosphäre der Musik logischerweise verstärkt. Im Idealfall kämen eigentlich alle Space-Scheiben in diesem Format; so haben wir es wie gesagt mit einem überdurchschnittlich guten Schelmenstreich zu tun.
FAZIT: CHICKENCAGE EXPERIENCE spielen herkömmlichen Space Rock der überwiegend spannenden, zwingenden Art und haben eine visuelle Aufbereitung beigelegt, die „An Eggsploitation Movie“ (sucht keine Message; es gibt vermutlich keine) zum zukünftigen Genre-Wichtigalbum macht. Darauf ein Pils oder besser gesagt ein paar Pilze …
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.10.2012
Onkel
H.M. Fishli, MichaeLa Flame
Wum
MichaeLa Flame, Onkel
Emir Of Quaver
Apocryphal Special School Orchestra
Nasoni
76:41 + 97:54
17.08.2012