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Chris Friedrich: In voller Fahrt

Stil: Deutscher Liedermacher in das Korsett eines Konzepts gezwängt!

Cover: Chris Friedrich: In voller Fahrt

Ist es nicht eine wunderschöne Sache, wenn der erste Dank auf dem Album eines Musikers an seine Eltern und seinen Bruder geht, die er als „Rückgrat seines Lebens“ bezeichnet?

Doch dann beginnt dieser CHRIS FRIEDRICH leider ein wenig zu übertreiben, indem er weitere Freunde aufzählt, die sein „Allerbester“, „der wichtigste Mensch“, „der tollste Mensch“ usw. sind und die er am Ende „in seinem Herzen trägt“. Manchmal ist etwas weniger doch mehr und nicht ganz so dick aufgetragen, erscheinen gewisse Dinge oder Menschen überzeugender, wenn man sie nicht mit einer extremen Zuckerglasur überzieht.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Album „In voller Fahrt“, das konzeptionell eine Reise durch das Leben von CHRIS FRIEDRICH darstellt, die größtenteils auf den Gleisen des Lebens erfolgt, auf denen Friedrich seine Lebens-Lok führt und dann ein Boot besteigt, auf dem er sein Leben in die Hände des Kapitäns legt, der sich am Ende als so eine Art Bruder im Geiste auszeichnet.

Trotz dieses Konzepts wirkt „In voller Fahrt“ mächtig zerrissen und enthält neben vielen Höhen leider auch so einige Tiefen, wobei die schrecklichste Untiefe „Mein Serum“ ist. Der Text und die Musik sind ziemlich unterirdisch und bedienen alle Freunde von FANTA 4, zu denen ich definitiv nicht gehöre. Außerdem ist dieser gruselige Serum-Titel komplett ungeeignet für dieses Album und bleibt glücklicherweise die Ausnahme! Ähnlich störend wirken allerdings auch die auf Dauer deutlich übertriebenen Klang- und Sound-Collagen, in denen Lokomotiven fahren, Dampfer ablegen, Kapitäne quatschen, Endlosschleifen vor sich her blubbern („Hier endet der Weg“) oder der Dampfer tutet! Hier wäre weniger ebenfalls mehr gewesen und die beabsichtigte Wirkung der „klanglichen Illustration des Konzepts“ hätte vielleicht sogar Erfolg gehabt. So nervt irgendwann auf die Dauer jeder Einsprengsel, der am Ende nur noch als Störung empfunden wird.

Hinzu kommt noch, dass die ziemlich außergewöhnliche (Beinahe ließe ich mich zu dem Begriff „Charismatisch“ hinreißen!) Stimme von CHRIS FRIEDRICH gesangstechnisch von ihm nicht immer überzeugend eingesetzt wird. In den schwächsten Momenten, wie bei „Treibsand“, klingt sie stellenweise ziemlich schief oder Friedrich hält bei „Sachen rein und weg“ die länger gedehnten Töne nicht sauber. Dem gegenüber steht aber ein wundervolles Duett mit der Sängerin CAROLINE WADDELL auf „Grünes Licht“! Das Duett mit BRITTA HERMANNS auf „Partyboot“ (Der Text ist ähnlich blöd wie der Titel!) wiederum besitzt diese Ausstrahlung leider nicht.

In den besten Momenten jedoch, die etwa ein Drittel des Albums ausmachen („Auch wenn ich nicht weiß“, „Grünes Licht“ & „Menschenkind“), hat Friedrichs Stimme eine unglaubliche Ähnlichkeit mit der von DIRK MICHAELIS. Ein Musiker, der in der DDR längere Zeit Sänger bei der Band KARUSSELL war und durch den Hit „Als ich fortging“ zur wahren Legende wurde. Dieser Song gilt, neben „Am Fenster“ von CITY, „Kampf um den Südpol“ von der STERN-COMBO MEISSEN und „Über sieben Brücken musst du geh'n“ von KARAT, als einer der erfolgreichsten Titel, der in die Annalen der musikalischen Geschichtsbücher der glücklicherweise untergegangenen DDR eingegangen ist!

Genau hier sollte CHRIS FRIEDRICH bei seinem nächsten Album ansetzen und sich mehr auf die Songs als Ganzes statt auf ein nur wenig überzeugendes Konzept zu setzen, das mit 'nem Haufen Klangspielereien aufgehübscht wird!

FAZIT: „In voller Fahrt“ ist der Versuch eines Konzept-Albums in deutscher Sprache, das in gewissen Momenten allerdings frontal auf eine Mauer zusaust. CHRIS FRIEDRICH sollte sich vielleicht mal eins der Solo-Alben des begnadeten „Ossis“ DIRK MICHAELIS schnappen und feststellen, welche Dimensionen seine Stimme aufzubieten hat – nur muss er diese einfach richtig einsetzen. MICHAELIS könnte ihm dabei den Weg weisen!

Punkte: 8/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2012

Tracklist

  1. In voller Fahrt
  2. Sachen rein und weg
  3. Treibsand
  4. Grünes Licht
  5. Das Größte
  6. Partyboot
  7. Mein Serum
  8. Tanz rein, wir legen an
  9. Auch wenn ich nicht weiß
  10. Was essen (Ich rieche Kohlen)
  11. Karte für mich
  12. Was willst du?
  13. Wiedersehen
  14. Menschenkind
  15. Bitte, Herr Kapitän
  16. Mein Freund
  17. Hier endet der Weg

Besetzung

  • Bass

    Chris Friedrich

  • Gesang

    Chris Friedrich

  • Gitarre

    Chris Friedrich

  • Keys

    Chris Friedrich

  • Schlagzeug

    Chris Friedrich

  • Sonstiges

    Dario Albiez (Streichinstrumente), Julian Warner, Uwe Paczinsky, Caroline Waddell, Britta Hermanns & Ursula Prinz (Gaststimmen), Cordula Prinz (Altsaxofon), Annette Prinz (Trompete) & Ämik (Scratches)

Sonstiges

  • Label

    freiladen.de / The Finest Noise Promotion

  • Spieldauer

    58:35

  • Erscheinungsdatum

    23.03.2012

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