Jawohl, einen Viertelstünder und einen Dreißigminüter, mehr gibt es hier nicht zu hören, wobei … sonische Gewohnheiten sollte der Konsument von „Adython“ von vornherein ad acta legen, denn mehr Avantgarde als das, was der italienische Gesangsakrobat CLAUDIO MILANO hier mit den Texten der Wortkünstlerin ERNA FRANSSENS veranstaltet, geht kaum.
“L’Oracolo Di Delfi” besteht weitgehend aus Saxofonbrummen, Computer-Störgeräuschen, weißem Rauschen und eben dem Stimmvortrag (Gesang findet zu keinem Zeitpunkt statt, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn) von MILANO, dessen Website sich Freunde des Schrägen in der Musik übrigens unbedingt anschauen sollten. Selten werden die Äußerungen des Künstlers technisch verfremdet; zum Ende hin ist fast ausschließlich er zu hören, wobei sein Echo widerhallt und für Klingeln im Ohr sorgt. Die Texte sind für einen nicht-Romanisten wie den Rezensenten nur anhand seines Latinums nachvollziehbar und bleiben entsprechend kryptisch; der durchaus emotionale Vortrag allerdings ist auch ohne Kenntnisse der Sprache greifbar, denn Musik – so der Verbraucher angehörs dieser Scheibe davon sprechen mag – besitzt schließlich keine linguistischen Barrieren.
Das Titelstück nimmt sich natürlich sehr viel Zeit. Hier wird MILANOs Organ oft zerstückelt und neu zusammengesetzt, scheinbar willkürlich Lärm ein- und ausgeblendet, wozu sich das Mitlesen empfiehlt. Für Freunde von Aktionskunst dürfte „Adython“ ein Fest darstellen. Man stellt sich leicht vor, wie die Protagonisten dieses Werk in einer Galerie aufführen und staunende Blicke übers Monokel hinweg ernten. Mitunter artet das Epos in Drones aus, vor allem nach dem ersten Drittel, was wegen der überlagerten Saxofon- und Stimmschichten eine beeindruckende Wirkung erzielt. Davon abgesehen gurgelt und schrillt (Diamanda Galás lässt grüßen), grunzt und croont MILANO herzerweichend, so er nicht bisweilen erstaunlich deutlich artikuliert und zeigt, was an Extremen im Bereich Musik (wie gesagt unter Vorbehalt) noch geht. Tolle Post oder Rohrkrepierer, je nach Gutdünken, aber keinesfalls willkürlich oder kalt lassend.
FAZIT: Kunst, Eklektizismus, Experiment – all dies trifft auf „Adython“ zu, ein in jeglichen Belangen (auch optisch; die Pappverpackung mit Einleger macht etwas daher) krasses Werk von Visionären, deren Ziel gleichwohl verschleiert bleibt. L'art pour l'art vielleicht?
Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.02.2012
Claudio Milano
Erna Franssens (lyrics, concept), Attila Faravelli (computer through modified speakers), Stefano Ferrian (sax), Alfonso Santimone (laptope, live electronics)
Den Records
47:10
17.02.2012