Auf den ersten Blick macht diese Wiederveröffentlichung mächtig Sinn, da die Erst- und auch spätere Auflagen dieses Live-Albums nur noch schwer oder nur zu Mondpreisen zu finden sind. Und erst recht, weil die Musik auf dieser CD einfach klasse ist.
Zu hören ist eine bestens aufgelegte Band mit einem längst fest ins DEEP PURPLE-Gefüge integrierten Steve Morse. Mehr noch, genau genommen steht dieser größtenteils gar überdeutlich im Mittelpunkt. Was besonders er hier am 20. April 1999 im Melbourne Park abgeliefert hat, ist Spielfreude pur. Und der unüberhörbare Enthusiasmus ihres nicht mehr ganz so neuen Gitarristen (da damals bereits seit fünf Jahren Teil der 'Mk VII'-Besetzung) hat sich merklich auf den Rest der Band übertragen. Ian Gillan hat einen sehr guten Tag erwischt, Jon Lord erlaubt sich auch die ganz lange Leine und die gesamte Truppe ist merklich in Jam-Laune.
Andererseits sind speziell die Shredder-Ausflüge von Morse, die hier im Großpaket zu hören sind, für alteingesessene Purple-Fans schon mal zu viel des Guten und wenn man sich unter diesen umhört, waren DEEP PURPLE zum Zeitpunkt der Aufnahme (oder auch heute noch?) für manch einen eh nicht mehr viel mehr als eine bessere Ian-Gillan-Soloband.
Sieht man dies nicht ganz so eng bzw. ganz und gar nicht so, bekommt man hier im glasklaren Sound eine ausgewogene Mischung aus damalig ganz neuen Stoff wie "Almost Human" und "Watching The Sky", den auch noch ziemlich unverbrauchten "Ted The Mechanic" und "Sometimes I Feel Like Screaming" sowie einigen unvermeidlichen Klassikern wie "Strange Kind Of Woman", "Fireball", "Black Night" und "Highway Star" präsentiert. Und natürlich "Smoke On The Water", das von Morse durch diverse Solo-Spielereien und Riffzitate (u.a. von THE KINKS und LED ZEPPELIN) sehr originell eingeleitet wird. Okay, "Child In Time" fehlt mal wieder, das rein vom Song her eigentlich auf jedes Purple-Livealbum gehört (da nun mal der Lieblingstrack des Rezensenten), aber in Hinsicht auf Ian Gillan ist das wohl auch diesmal wieder verdammt gut so; und schließlich gibt es dafür die "Made In Japan". Diese 74 Minuten 'Made in Australia' sind auch so äußerst kurzweilig gefüllt - so wie die meisten der unzähligen Live-Scheiben von DEEP PURPLE auch.
Jetzt kommt das große ABER: Ursprünglich hat es sich bei "Total Abandon Australia '99" um eine Doppel-CD gehandelt und so wurden die alten Aufnahmen gekürzt, um das Material auf einem Silberling unterzubringen. Insgesamt fehlen drei Songs (nämlich "Lazy", "Perfect Strangers" und "Speed King") sowie das lange Gitarrensolo von Steve Morse und somit fast 40 Minuten der Originalaufnahme. Das ist eine Verstümmelung, die ganz schön wehtut - wer macht denn so was?
FAZIT: "Wenn schon, denn schon" hätte es hier heißen müssen, als die Entscheidung für diese Neuauflage gefallen ist. Wenn man es etwa dicker hat, besorgt man sich eine frühere, komplette Version des Konzerts. Oder die DVD. Andererseits: Diese CD (mit zum Original abweichenden Artwork) steht mit weniger als 9,- € äußerst kostengünstig in den Läden und so betrachtet lohnt sich der Erwerb dann doch wieder. Dennoch: Einen richtigen, auf Vollständigkeit bedachten Fan macht man damit nicht glücklich.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.05.2012
Roger Glover
Ian Gillan
Steve Morse
Jon Lord
Ian Paice
Eagle Records
73:56
20.04.2012