Bereits auf dem Vorgängeralbum „Diamond Eyes“ zeigte sich dieses Quintett in erfreulicher Hochform, und es war im Grunde kaum abzusehen, dass die DEFTONES mit „Koi No Yokan“ (japanisch für „Vorahnung der Liebe“) tatsächlich noch einen drauf legen.
Möglicherweise wird das neueste Werk dem ein oder anderen Fan ein wenig zu eingängig sein, aber gerade diese Stärke setzen Moreno und seine Jungs keinesfalls in Richtung eventueller Radiokompatibilität ein. Vielmehr behält die Band ihren unvergleichlichen Sound bei, nur mit dem Unterschied, dass sich die Songs dem Hörer stellenweise eher öffnen.
Der Opener „Swerve City“ lässt die Scheibe ungewohnt flott und straight beginnen, wobei hier ein Vibe entsteht, welcher entfernt mit dem auf SEPULTURAs „Roots“ vergleichbar ist - gekrönt von der Stimme eines Chino Moreno, der gesanglich gerade die beste Zeit seines Lebens erlebt. Ein „White Pony“-artiges Stück namens „Romantic Dreams“ lässt alte Vertrautheit aufkommen, während das ambientartig beginnende „Leathers“ die Laut-Leise-Dynamik in Perfektion demonstriert. Doch auch das Verschachtelte haben die Kalifornier nicht verlernt, wie das verquere „Poltergeist“ zeigt.
Einer der wunderschönsten DEFTONES-Songs erblickt hiernach das Licht der Welt: Das schwebende „Entombed“, welches mit einer hochfrequenten Dur-Gitarrenhookline und einem verfremdeten, an Trip Hop erinnernden Drumbeat beginnt, und mit Einsatz des Gesangs entwickelt der Beat dann einen mitreißenden SlowMo-Groove. Es folgt - zosch!!! - ein eruptionsähnlicher, mit wuchtigen Gitarren unterfütterter, psychedelisch angehauchter Refrain, der wie eine gigantische Welle über den Hörer schwappt, sodass die Tränenkanäle bedrohlich weit geöffnet sind.
Erinnert sich noch jemand an die edlen MINDSET? Die seinerzeit mit ihrem selbstbetitelten Debüt einen beachtlichen Einstand feierten? So, als wollten sich die DEFTONES bei den Buben um Roddy Lane bedanken, dass diese damals mitgeholfen haben, diesen Sound zu etablieren, tönt „Graphic Nature“ fast wie eine Hommage an die Hommage an sich selbst. Der Eindruck verstärkt sich nach dem eher bandtypischen „Tempest“, denn „Gauze“ besitzt dieselbe angekratzte Atmosphäre, die durch einen disharmonischen Riff, Morenos vordergründigen Gesang und den schwimmenden, federnden Refrain verstärkt wird.
Doch auch das doomige „Rosemary“, das zwischen Zerstörung und Wiederaufbau pendelnde „Goon Squad“ sowie das schwerelose Finalstück „What Happened To You?“ liefern stets noch neue Elemente, ja gar Überraschungen, und das ist bei einer Band, die ja nun wirklich schon zu den alten Hasen gehört, ja nicht unbedingt zu erwarten. Zumindest nicht in diesem Maße.
FAZIT: Selbsttreue und Weiterentwicklung, kombiniert mit erschreckend gutem Songwriting - das sind DEFTONES anno 2012, und neben „Around The Fur“ und „White Pony“ darf sich „Koi No Yokan“ zu den Meilensteinen der Bandgeschichte gesellen. Großartig. Einfach nur großartig.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.12.2012
Sergio Vega
Chino Moreno
Chino Moreno, Stephen Carpenter
Frank Delgado
Abe Cunningham
Frank Delgado (Samples)
Reprise Records
51:48
09.11.2012