“Tomorrow Will Tell The Story” ist verwandt mit einem Werk, das einen ähnlich zerrissenen Charakter besitzt: MIKE OLDFIELDs gerne unterschätztes Album „Amarok“. Ein Fundus an großartigen Sequenzen, Song-Ideen, Klangfetzen und Passagen von majestätischem Format. Etwas disparat in einem großen Ganzen angeordnet. Das musikalische Puzzle setzt sich erst im Kopf des Hörers zusammen. Oder zerschellt daran. Ähnlich sieht es mit ECHO US aus. Nicht ganz von derselben Wucht und Größe, mit dem Hang zum Scheitern wie OLDFIELDs Projekt aus den 90ern, als die unsägliche Pop-Phase (kurzzeitig?) vorbei war, und der Multiinstrumentalist nach neuen, alten Ufern strebte.
Es finden sich Instrumentalteile, die an OLDFIELD gemahnen, sowie kleine faszinierende Momente hingehauchten Glücks; zwischen perlender Elektronik, Weltmusik der unterschiedlichsten Natur und Herkunft und Besuchen im Gregorianischen Klosterhof. Dazu gesellen sich fast klassische Harfenklänge und härtere Gitarrenakkorde, die auf Ethan Matthews ehemalige Band GREYHAVEN verweisen. Bei ECHO US ist das Verhältnis von Neoprog der zupackenden Sorte und elektronischen Elementen allerdings umgekehrt.
Klanglich überzeugend hat “Tomorrow Will Tell The Story” von eingängigen Wohlfühlmelodien bis zu leicht schrägen Eskapaden vieles zu bieten, was des Hörers Ohr erfreut. Doch es wimmelt von Brüchen. Die Musik beginnt zu fließen und dann kommt ein unsanfter Break, der in eine neue, wieder einschmeichelnde Richtung weitergeht, bevor es abermals zu einer Ruptur kommt, die den Fluss in eine ganz andere Richtung leitet. Das wird nie unanhörbar oder gar atonal, von ein paar nervenden Effekten abgesehen (wie die hochgepitchten Vocodersounds, die klingen als versuche sich Mickey Mouse an einer Mischung aus indianischem Meditationsgesang und Gregorianik), aber es erfordert Aufmerksamkeit und die Bereitschaft der Zuhörer sich einem Pfadfinder anzuvertrauen, der über Geröll stakst und etliche Klippen überspringen muss, bevor er bei der schönen Aussicht anlangt.
Wer ein Faible für SCHILLER, die ruhigeren Phasen von YELLO und ART OF NOISE hat, dazu Worldmusic und diversen Progspielarten nicht abgeneigt ist, der kann “Tomorrow Will Tell The Story” eine Chance geben. Oder sollte es vielleicht sogar.
FAZIT: Filigrane Skizzen, ruppige Übergänge. Songs werden gefunden und sofort wieder fallen gelassen. Meditative Momente und elektronische Verfremdung, ein sanfter Fluss mit unvermuteten Stromschnellen. Eine ambiente Klang-Collage die zum Träumen einlädt, das Wegdämmern aber auf eigenwillige Art verhindert und dabei musikalisch ganze Kontinente vereint. Nicht ganz ohne Gewalt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.04.2012
Ethan Matthews
Henta, Ethan Matthews
Ethan Matthews
Ethan Matthews, Daniel Panasenko (Harm. 9)
Ethan Matthews
Ethan Matthews, Raelyn Olson (Harp)
Absolute Probability Recordings/Just For Kicks
64:39
13.04.2012