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Effloresce: Coma Ghosts

Stil: Progressive Metal

Cover: Effloresce: Coma Ghosts

Dan Swanö erledigt in seinem Studio zwar mittlerweile viel Brotarbeit, doch im Allgemeinen darf man davon ausgehen, dass er sich die Zeit nicht mit Schund-Bands vertreibt. Seine Nürnberger Eleven EFFLORESCE sind folglich eine gute, hoffnungsvolle Newcomer-Truppe, die den Weg ihrer Debüt-EP (auch optisch; siehe Farbgebung) auf dem ersten Album „Coma Ghosts“ weitergeht.

Der Bandname führt in die Irre, so man an ozeangroße Briten denkt – nichts da Post Rock: Das Quintett hat die jüngere Prog-Geschichte verinnerlicht und sich dabei der metallischen Gangart verschrieben. Seine langen Stücke, die wie kleine Reisen ohne vordergründige Hooks anmuten, fußen auf schweren Riffs und fließender Lead-Arbeit der Gitarristen. Keyboards (Mellotron) finden an gewählten Stellen Verwendung, und auch dass mit Nicki Weber eine Frau hinterm Mikrofon steht, braucht die Kitsch-Polizei nicht auf den Plan zu rufen. EFFLORESCE klingen zu keiner Sekunde affektiert, auch wenn sie hin und wieder Formalismen bemühen, etwa Traumtheater-verdächtige Stakkati im Opener „Crib“. Dieser glänzt andererseits auch mit einem griffigen Hauptmotiv und einnehmenden Gesangslinien – allerdings erst zum Ende hin, was ihn trotz einer Länge von acht Minuten nicht unfertig oder zerstückelt anmuten lässt.

Mit „Spectre Pt. I – Zorya's Dream“ wenden die Musiker einen bekannten Kniff an: Instrumental zeigen sie sich farbenfroh, und ihre Frontfrau macht vor allem in den ruhigeren Passagen von sich reden. Besonders harte Passagen wie den Doublebass-Mittelteil begleitet sie schließlich säuselnd und – Überraschung – mit galligem Keifen. Allein schon die Frage, wie sie dies live umsetzt, speziell im vor krassen stimmlichen Brüchen strotzenden „Pavement Canvas“, weckt Interesse an einer Show.

Generell ist im Tonmaterial der Band ein orientalisch verschlungener, düsterer Touch auszumachen, der sie eindeutig in die moderne Ecke des Genres rückt, sei es zu RIVERSIDE oder der Wurzel des tollen Übels: Steven Wilson und Konsorten zu ihren härtesten Zeiten. Nach dem Intro-artigen Zwischenstück „Undercoat“ verblüffen EFFLORESCE noch einmal, denn „Swimming Through Deserts“ versprüht spukhaftes Seventies-Flair im zeitgenössischen Sound und bietet Nicki den perfekten Boden, um ihr melodisches Talent zu entfalten. Die spielerischen Fähigkeiten, welche die Herren hinter ihr übrigens nie prollig hervorkehren, kommen hier besonders geschmackvoll in Gestalt von jazzigem Rhythmusspiel und PINK-FLOYD-Gitarren zum Tragen.

Das Höchste zum Schluss: Mit dem 16-minütigen „Shuteye Wanderer“ (auch textlich hervorragend) legt die Combo in allen Belangen noch etwas mehr in die Waagschale. Die Gesangsperformance reißt mit, obwohl Verfechter des Reinheitsgebots wahrscheinlich Probleme mit dem Duktus Furie haben werden, aber dieser Schlag wird umso schneller Gefallen an der instrumentalen Achterbahnfahrt finden, die zwischendurch begangen wird. Leicht dissonante Gitarren klatschen sich mit Flötentönen aus der Canterbury-Szene ab, bevor man zum unvermeidlichen Finale ansetzt – toll!

FAZIT: EFFLORESCE spielen innerhalb der recht vorhersehbaren Koordinaten unverhofft interessante Musik mit origineller Note, die sich Freunde zwischen OPETH und WHITE WILLOW unbedingt einmal anhören sollten. Dank der strikten Weigerung, konventionelle Songmuster zu bemühen, kann der Hörer viel Freude mit „Coma Ghosts“ haben.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.09.2012

Tracklist

  1. Crib
  2. Spectre Pt. I – Zorya's Dream
  3. Pavement Canvas
  4. Undercoat
  5. Swimming Through Deserts
  6. Shuteye Wanderer

Besetzung

  • Bass

    Sebastian Ott

  • Gesang

    Nicki Weber

  • Gitarre

    Tim Ivanic, Dave Mola

  • Keys

    Dave Mola

  • Schlagzeug

    Tobi Süß

  • Sonstiges

    Nicki Weber (Flöte)

Sonstiges

  • Label

    Generation Prog

  • Spieldauer

    54:21

  • Erscheinungsdatum

    20.02.2012

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