Wenn irgendwann und irgendwo die Redewendung: „Die Finnen, die spinnen!“, zutrifft, dann garantiert bei der Musik von ELÄKELÄISET! Zwar habe ich mehr als 12.000 Tonträger in meinen Schränken und Regalen stehen, aber solche Musik ist mir noch nie untergekommen. Spätestens nämlich, wenn man die CD „Humppasheikkailu“ in seinen Player geschoben und die Play-Taste gedrückt hat, dann sitzt man mit weit geöffnetem Mund samt runtergeklappter Kinnlade zwischen seinen Boxen und hinterlässt den Eindruck (Wo wir nun schon mal bei Redewendungen sind!) „Wie eine Kuh, wenn's donnert“.
ELÄKELÄISET – allein dieser Name erscheint sehr gewöhnungsbedürftig sowie für deutsche Ohren doch recht ungewöhnlich und man denkt mal an „Ekel“, mal an „Klosett“, aber bestimmt nicht an Schönklang. Und das ist auch gut so. Natürlich will ich hier niemandem zu nahe treten, aber allein die Übäirsäitzüng düses fünnüschen Begrüffs väirblüifft bestümmt nüscht nür müsch: RENTNER! Öhne Wünn ünd Äbäir! ELÄKELÄISET = Rentner!
Wie also hört sich nun eine finnische „Rentner“-Band an, die wild auf Humppa-Humppa-Humppa ist?
Beginnen wir mal mit dem einfachsten Teil des Versuchs einer Beschreibung dessen, was einem da aus den Boxen entgegendonnert, ohne jegliche Rücksicht auf unsere biederen Hörgewohnheiten zu nehmen.
ELÄKELÄISET ist eine Cover-Band. Allerdings keine im herkömmlichen Sinne, die sich ein Original vornimmt und durch leichte Veränderungen unter Beibehaltung von Rhythmen und Melodiebögen „ihre leicht verfremdete“ Version eines bekannten Klassikers anbietet. Nein, nein – bei dieser Rentner-Band wird mitunter so extrem verfremdet, dass der Hörer verzweifelt während des Hörens nach einer klitzekleinen Übereinstimmung mit dem Original sucht. Auch liegt bei diesem „Band“-Namen die Vermutung nahe, dass volkstümliche oder schlagerhafte Musik gecovert wird. Noch weiter gefehlt! Unter den eläkeläisetischen Musik-Hammer kommen echte Rock- und Pop-Klassiker solch namhafter Künstler wie QUEEN, LED ZEPPELIN, KRAFTWERK, DEEP PURPLE, FRANK ZAPPA und PETER GABRIEL, genauso wie CHER, KISS, RED HOT CHILLI PEPPERS oder STEVIE WONDER. Und diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Wer das nicht wahrhaben oder glauben will, der sollte einfach mal unter dieser Adresse nachsehen und die akribisch aufgelisteten Cover-Versionen aller ELÄKELÄISET-Titel durchstöbern: http://lemmingz.de/?p=humppa
Jetzt aber kommt der schwere Teil des Versuchs einer Beschreibung dessen, was einem da aus den Boxen entgegendonnert, ohne jegliche Rücksicht auf unsere biederen Hörgewohnheiten zu nehmen.
ELÄKELÄISET gelten als die Könige des Humppa, einer abgefahrenen finnischen Musik-Spiel-Art, die irgendwo zwischen Tango und Polka liegt und sich ideal für jede Form von Polonaisen eignet. Schifferklavier, Fiddle und jede Menge Gebläse gehören genauso dazu wie Keyboards, Schlagzeug, Bass und Gitarren sowie Unmengen unterschiedlicher solistischer und Chor-Gesänge. Dazu sind die Texte auf finnisch und sollen angeblich sehr provokant und weit weg von den englischen Originalen sein. Das ging schon so weit, dass Cover-Versionen von den SCORPIONS und NIRVANA nachträglich von den Plattenfirmen der gecoverten Musiker verboten wurden. Nur ein weiterer Beweis dafür, dass denen eben der wirkliche Sinn für Humor fehlt. Nur selten habe ich so erfrischend gelacht wie über den „Lemon Tree“ von FOOLS GARDEN genauso wie ich nachdenklich darüber nachgegrübelt habe, wo sich denn nun genau die Parallelen zu „In The Court Of The Crimson King“ von KING CRIMSON befinden. Das ist so eine weitere Eigenart von ELÄKELÄISET – sie geben einem wirklich jede Menge Rätsel auf.
Nichtsdestotrotz hätte es mich doch sehr interessiert, was eigentlich passiert wäre, wenn unsere Humppa-Experten sich tatsächlich für den Eurovision Songcontest 2010 qualifiziert hätten, statt dem finnischen Folk-Duo KUUNKUISKAAJAT, die dann bereits im Vorausscheid rausflogen. Kein Wunder bei solchem Band-Namen, der übersetzt auch noch „Die Mondflüsterinnen“ heißt. Die agilen Rentner hätten den Contest garantiert aufgemischt – keine Frage! Und eine LENA MEYER-LANDRUT hätte sich echt warm anziehen können oder mit ihren Stöckelschuhen eine gewaltige Polonaise schieben müssen. Leider, leider blieb es in diesem Fall nur bei den vielen „Hätte“!
Bildlich und ein wenig ironisch betrachtet, könnte man die Humppa-Humppa-Musik auch noch in den derzeit österlichen Nachwehen als die Begegnung zweier Osterhasen bezeichnen, die freudig entdecken, dass sie nicht zum Ostereierverstecken, sondern zum wilden Rammeln geschaffen sind und sich endlich leidenschaftlich dieser „Tätigkeit“ auf einem Ostereiernest hingeben, während der gute Jesus sich Gedanken darüber macht, ob das mit seiner Auferstehung eine wirklich kluge Entscheidung war. Die ungekreuzigte Rammel-Musik kommt dazu garantiert von den finnischen Rentnern, die vor keinem noch so bunten Musik-Ei halt machen bis es endgültig zu Rüher-Ei im Humppa-Cover-Stil(bruch) verarbeitet ist.
FAZIT: Wer denkt oder glaubt, dass er so etwa alle verrückten Spielarten der Musik kennt und noch nie etwas von ELÄKELÄISET gehört hat, der unterlag bis zu diesem Zeitpunkt einem riesigen Irrtum! Mindestens ein Album dieser Rentner-Band im Plattenschrank ist absolute Pflicht! Nur wie soll ich das bewerten? Das überlasse ich lieber denjenigen, die hoffentlich gleich einmal in diese Musik hineinhören – denn Punkte für musikalische Verrücktheit mag selbst ich nicht zu vergeben … im Grunde volle Punktzahl für die Entdeckung des Humppa!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.04.2012
Martti Varis
Onni Varis, Lassi Kinnunen, Martti Varis, Petteri Halonen, Kristian Voutilainen
Petteri Halonen
Onni Varis, Petteri Halonen
Kristian Voutilainen
Lassi Kinnunen (Akkordeon)
Beste! Unterhaltung
71:47
13.03.2012