Waren die immer schon so panne? Mein Erstkontakt: Ein total überzogenes Poservideo. „Solar Flare Homicide“ nennt sich das Teil und ist so radikal over the top, dass es schmerzt, dabei aber so straight vom Stiefel gezogen, dass man das Ganze durchaus als gekonnte Persiflage verstehen kann: Meta-Gangster bringen dem gemeinen Hip-Hop-Volk die frohe Kunde des Deathcore. Ich denke noch so bei mir: „det muss ik rezensieään!“. Im gleichen Moment meldet ein Kollege seine Ansprüche und setzt in Klammern ein ironisches „Hihi“ dahinter. Die Witzischkeit kennt keine Grenzen, der Ernst hat Ausgang. Ich informiere mich also weiter und sehe das Cover der letzten VÖ „Speaker Of The Dead“. Romero meets Spike Lee? Das ist so scheiße und platt, dass es schon wieder rockt.
Wir bleiben in den 90ern. „Slave To The Game“ heißt der aktuelle Halbstünder und schiebt uns mitsamt des ganzen Straßengemischs aus White Trash und Black Hood in die nächste Spielhölle. Die Lichter blinken hinter der Wand voller Graffitis, die Kids jagen mutierte Pacmans durch die sidescrollende Pixellandschaft und tragen ihre Tags in die Score-Tabelle ein. Im Hintergrund primitiver Heavy Metal, viel Krawumm und Peng neben 8-Bit-Gepiepe.
EMMURE scheinen vor allem über Nostalgie zu funktionieren. Wer seine Coolness so sehr überzeichnet, dass man schon die Elementarteilchen zersetzen muss, um sie zu erkennen, der meint das normalerweise nicht ernst – hofft man zumindest für denjenigen. Die New Yorker signalisieren das, indem sie radikales Deathcore-Gemetzel über ihre Basics legen, das für lässigen Nu Metal der 90er Jahre viel zu dissonant wäre. Nehmen sich die Gitarren mal zurück, ähneln Scratches, Beats und Funk noch verblüffend stark den damaligen Königen KORN und LIMP BIZKIT („Umar Dumps Dormammu“), in den seriöseren Passagen fühlte man sich wohl zu den DEFTONES hingezogen („MDMA“).
Nu Metal war jedoch nie so blindlings und noisy, und an diesem Punkt beginnen EMMURE ihre Power zu artikulieren. „Slave To The Game“ ist, Hörproben älterer Songs nach zu urteilen genauso wie die Vorgängerplatten, ein ziemliches Groovemonster. Inzwischen sind die 90er so verjährt, dass erwachsene Männer mit Anspielungen auf „Mega Man“ und diverse Marvel-(Anti-)-Helden in kindliches Retro-Verzücken versetzt werden können; je abgedrehter der zugehörige Soundtrack, desto besser. Dazu muss der Sound nicht einmal auf Retro getrimmt sein; im Gegenteil, der moderne Klang gibt einen hervorragenden Kontrast ab.
FAZIT: 12 Stücke unterhalb der vier Minuten, alles komprimiert aufs Wesentliche, laut, wild und superbreakdownlastig, funky in der Mitte und harsch in den Spitzen: EMMURE bleiben ihren Trademarks auf der Fünften wohl treu. Freut die Puristen und amüsiert jeden, der einen Vorgeschmack auf eine zünftige 90er-Satire braucht. Hateable ist die ganze Chose natürlich auch wieder, das wird sich in diesem Leben wohl auch nicht mehr ändern. Vielleicht greift Adam Sandlers Produktionsfirma „Happy Madison“ ja auf EMMURE zurück, wenn sie Patrick Jeans Internet-Kurzfilm „Pixels“ tatsächlich noch als Full-Length-Spielfilm umsetzen sollte…
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.04.2012
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Victory / Soulfood
31:52
13.04.2012