Mit dem Quasi-Comeback „Mechanize“ konnte die Band, die weithin allein für die kommerzielle Etablierung von Industrial Metal im weitesten Sinn – maschinelle Rhythmen, brutaler Gesang, synthetische Klangflächen – verantwortlich zeichnete, zumindest dem allgemeinen Medien-Tenor (und damit auch laut Einschätzung der blind ergebenen Klientel) zufolge verlorenen Boden wiedergewinnen. Den Sommer nach dem kolportierten zweiten Frühling prägt nun ein augenscheinlich laues Klima.
Was sich Sänger Burt zusammenreimt, ist an mehreren Stellen der Scheibe bezeichnend für den Status quo von FEAR FACTORY. „Turned out the world kept turning, only we ended“, vernimmt man etwa im Intro des eröffnenden Titelstücks und bezieht es auf die Gruppe selbst, denn die einstigen Wegbereiter klingen heuer, als müssten oder wollten sie niemandem mehr etwas beweisen: Plump naheliegende Reime (sehr beliebt: das Suffix „-ation“), Stakkato-Strophen und verhältnismäßig melodische Refrains dienen dem Kernduo und seiner längst austauschbaren Rhythmusgruppe zur Vertonung eines abgedroschenen Konzepts über eine Maschine, die ein Bewusstsein entwickelt. Eigentlich hätte man Mitte der Neunziger ahnen müssen, dass sich das forciert die Zukunft betreffende Konzept einmal selbst überholt.
Revolutionäre stehen vor dem Problem, dass sie entbehrlich werden, sobald ihre Worte und Taten auf fruchtbaren Boden gefallen sind, was bei FEAR FACTORY mit Hinblick auf „Demanufacture“ niemand bezweifeln dürfte. Die wenigen Neuerungen – wenn man die Geltendmachung noch nicht ausgeraubter Sound-Banken durch Stammproduzent Rhys Fulber und einen einstweilen recht vordergründig hörbaren Bass als solche bezeichnen möchte – klingen nicht so, als seien sie unerlässliche Mittel zur Kelter der kreativen Säfte der Musiker, sondern wie Verweise auf stilistische Beschränktheit und Ausdrucksarmut. Cazares spielt meistens seinen Schuh herunter, hat sich offensichtlich ein neues Effektgerät besorgt, wie man ab dem recht verspielten „New Messiah“ wiederholt zu hören glaubt, und legt in „Virus Of Faith“ seine dünnen Wurzeln im heimischen Death Metal frei. Dass die „Gruppe“ einen Drumcomputer verwendet (live greift man auf Mike Heller zurück), fällt auch angesichts der intelligenten Programmierung nicht weiter ins Gewicht und stellt im Vergleich zum bisheringen Schaffen nahezu keinen Unterschied dar.
Der Schwachpunkt der Band bleibt seit Jahren derselbe: melodisch öde und vorhersehbar inszenierte Gesangslinien wie im bemüht eingängigen „Recharger“ oder während „Depraved Mind Murder“, einem stumpfen Einerlei trotz schwebender Parts. Das beste Stück „God Eater“ bringt Piano und bedrohliche Single-Notes sowie tiefen Gesang wie zum Gebet zu Gehör, als träfen KILLING JOKE auf GODFLESH oder MINISTRY in den letzten Tagen mit Paul Barker. Das ebenfalls packend inszenierte „Difference Engine“ („we are nothing to the system“, bla bla …) reiht sich direkt dahinter ein, und auch das zunächst vertrackte, dann gelöste „Recharger“ gefällt halbwegs, wäre zu Hochzeiten der Band aber nur als B-Seite durchgegangen.
Negativ zu Buche schlagen im allgemein abgeschmackten Gesamtbild außerdem das öde „Disassemble“ sowie der glatt freche Ausklang des Albums: „Religion Is Flawed Because Man Is Flawed“ ist ein Keyboard-Intro zu … einer fast zehn Minuten langen Geräuschkulisse („Human Augmentation“). FEAR FACTORY betreiben auf „The Industrialist“ bloß Inventur und überkleben abgelaufene Verfallsdaten mit leider nicht blickdichten Etiketten.
FAZIT: Die Textzeile „Future begins now“ gereicht FEAR FACTORY 2012 nur noch zum Lippenbekenntnis. „The Industrialist“ ist für das Gespann eine kompositorisch halbherzige Pflichterfüllung mit gesichtslosen Erfüllungsgehilfen. Andere schwätzen von wiedergefundenen alten Stärken beziehungsweise floskeln brav wie zum Kompromiss zwischen eigener Meinung und artigem Waschzettel-Nachbeten, die Band kratze natürlich nicht am 1995er Schlüsselwerk. Die Wahrheit lest ihr hier: maue Platte.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.05.2012
Dino Cazares, Matt DeVries
Burton C. Bell
Dino Cazares
Rhys Fulber
Napalm Records / Edel
48:50
01.06.2012