Sympathisch, unauffällig und unspektakulär sind wohl die ersten Attribute, die einem bei FINAL CONFLICT einfallen. Zumindest wenn man an die Anfänge denkt. Die bereits im Jahr 1985 liegen sechs Jahre später zum ersten Tonträger führten. Schon hier wird deutlich, dass die Albenproduktion der Band keine hohe Schlagzahl aufweist. So wird es bleiben. Sechs Studiowerke in 21 Jahren, davon das 2006er Album „Simple“ lediglich eine aufpolierte Sammlung früherer Taten sowie ein Live-Auftritt 2009 auf CD und DVD („Another Moment in Time - Live In Poland“) stellen keinen besonders umfangreichen Output dar.
Das Debüt „Redress The Balance“ und sein Nachfolger „Quest“, nur ein Jahr später erschienen – unglaublich, sind nette, kleine Fußnoten des Neo-Progressiven-Rocks, mit leichtem Hang zur melodischen AOR-Variante. MARILLION sind in Bausch und Bogen gegenwärtig, FOREIGNER nicht ganz so sehr. Leider litten beide Alben unter produktionstechnischen Mankos. Sie klingen zwar nicht wie in einer Grotte aufgenommen, aber die gepflegte Blässe der Songs ist im Sound nur noch blass. Gehört und vergessen ist nahezu Eins.
Angeschafft und geschätzt wegen Album Nr. 3, „Stand Up“, hinter dessen Bonjour-Tristesse-am-englischen-Strand-Cover man nie und nimmer eine Spielart des Progressive Rocks vermuten würde. „Stand Up“ war einen Hauch opulenter produziert, die Melodic-Rock-Anteile rückten weiter in den Hintergrund, MARILLION trapsten immer noch vernehmlich durch die Songs, doch gelang der Band ein großer Schritt Richtung dessen, was New-Art-Rock werden sollte. Filigranes Gitarrenspiel vor ebensolchen Melodien, und mit dem fünfzehnminütigen Abschluss „Stop“ ein Stück im Gepäck, das „Supper's Ready“ und „Wish You Were Here“ kennt und in seinen besten Momenten wie eine Blaupause wirkt, die ARCHIVE später perfektionieren würden. Leider mit „Days Gone By“ auch einen fürchterlichen, acht Minuten langen, Tränendrücker an Bord. Das folgende „Miss D Meanour“ ist aufgrund seiner schlichten „Follow You Follow Me“ Gitarren-Arpeggios auch kein Kracher. Doch die Aufmerksamkeit war geweckt. Reichte immerhin zur Anschaffung der vorhergehenden Silberlinge und führte, nur sechs Jahre später, zum vorläufigen Höhepunkt „Hindsight“. Dessen Titelsong ein kleiner Klassiker ist. Melodisch, mitreißend, aber nicht zu glatt, um nach dem zweiten Hören zu langweilen. Hier hatte eine Band ihr Potenzial entdeckt und schien bereit für Größeres. Das dann erst einmal für fast ein Jahrzehnt ausblieb. Die halbwegs gelungene 2006er Nabelschau „Simple“ und die Live-Aufnahme drei Jahre später lassen wir mal außen vor.
Jetzt also: „The Return Of The Artisan“. Von Anfang an dabei: Andy Lawton und Brian Donkin. Steve Lipiec drückt schon seit 1992 die Tasten. Neu und gut, die Rhythmussektion Baz Elwood und Henry Rogers. Die für dunkel drängenden Druck sorgen, der der eher unverbindlichen musikalischen Grundausrichtung etwas Zwingendes verleiht, das selbst dann durchscheint, wenn immer noch die frühen MARILLION „Hallo“ sagen. Der Titel „Die Rückkehr des Kunstgewerblers“ verrät, dass FINAL CONFLICT genau um ihre Positionierung Bescheid wissen. Und weil sie es nicht als bloß ironisch am Rande vermerken, sondern musikalisch ins Zentrum stellen und in die Vollen gehen, jederzeit klar ist, dass es ihnen Ernst ist mit ihrer Art „kunstgewerbliche“ Musik zu betreiben, wird das Album zu einem Diskurs, der sich gleichzeitig ernst nimmt und in Frage stellt.
Hier sind Überzeugungstäter am Werk, die sich im selbst gesteckten Rahmen austoben. Bleischwere Rhythmen, elektronische Spielereien gleich im Opener (Kriegsnarben? GALAHAD??), zirpende Synthesizer und Vocoder-Recitals sind kein Problem, schmetternde Gitarren, pulsierende Bassläufe und hämmernde Drums ebenso wenig. Dann der fließende Übergang zum wehmütigen „The Mechanic“, das ALAN PARSONS und PINK FLOYD freudig wiedervereint, um abschließend FLASH & THE PAN aus der Versenkung zu holen. Großer Coup dies, und wenig verwunderlich, dass es mit romantischem Piano und abschließendem Keyboard-Pomp weitergeht. Das folgende „Hopes & Dreams“ betont nicht nur die gesangliche Nähe zu Dave Cousins und seinen STRAWBS, der gesamte Song geht als Hommage an die besten Zeiten der Folk’n’Prog“-Institution glatt durch.
FINAL CONFLICT besitzen sowohl den Humor wie die Erfahrung ihr buntes Potpourri mit Grandezza nach Hause zu bringen. „The Return Of The Artisan“ überflügelt das starke “Hindsight” tatsächlich. Aber auf andere Weise als erwartet. Keine eigene Ausprägung des neuen Artrocks, sondern ein überzeugendes Spiel mit so vielen Verweisen, dass man glatt von Postmodern-Rock sprechen könnte. Klingt wuchtig und gleichzeitig verspielt, ist alles andere als neu und wartet trotzdem mit Entdeckungen auf. Bei weitem nicht perfekt, aber keinesfalls unauffällig und unspektakulär, doch fast durchgängig sympathisch.
FAZIT: Zum Einstieg in FINAL CONFLICTs kleine, aber bunte Welt, ist „Hindsight“ immer noch die erste Wahl. „The Return Of The Artisan“ ist so eine Art Neuerfindung ohne die Wurzeln zu verleugnen. Selten ist es einer Band derart gelungen, wie mehrere von vielen zu klingen und doch etwas Eigenständiges, Besonderes zu sein. Eintauchen und fündig werden. Klappt gut.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.12.2012
Barry Elwood
Andy Lawton, Brian Donkin, Sammi Evans (bv), Henna Jackson (bv)
Brian Donkin, Andy Lawton
Steve Lipiec
Henry Rogers
Gaolhouse Records/Just For Kicks
56:29
14.12.2012