Was ist nur mit FLOAT passiert?
So viel Wut, so viel Aggressivität wie auf ihrem dritten Album hätte ich ihnen wirklich nicht zugetraut.
Doch verstehen kann ich die deutsche Band mit ihren englischen Texten von ganzem Herzen!
Und nicht nur das – ihr Album „Dead End Street“ verfolgt ein sehr eindeutiges Konzept, nämlich die Entlarvung all der scheinheiligen Saubermänner, die uns heutzutage vormachen, sie würden im friedlichen Einklang mit der Natur, besonders der gefährdeten Tierwelt, für ein gemeinsames Miteinander stehen, obwohl sie aus persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen, jede bedrohte Spezies gewissenlos dahinschlachten. Ekel-Männer und -Frauen in feinem Zwirn oder noblen Pelzmänteln und sogar mit Adelstiteln, die sich beispielsweise als Ehrenpräsidenten des WWF wählen lassen und dann für 44.000 Euro Steuergeld auf Elefantenjagd in Botswana gehen, so wie dieser demente königliche Kotzbrocken aus Spanien, Juan Carlos. Einen Elefanten erschießen konnte er, aber zum Glück nicht die Stufen in seinem Afrika-Domizil richtig steigen, wodurch er sich bei einem Sturz die Hüfte brach – leider, wie's scheint, ohne bleibende Folgen für seine Gesundheit, höchstens für sein Ansehen. Dem toten Elefanten allerdings hilft das auch nicht mehr. Außer vielleicht, dass dieser Sturz die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machte, was ein spanischer König und Ehrenpräsident des WWF so in seiner Freizeit auf Kosten der spanischen Steuerzahler, denen man Tag für Tag das Sparen predigt, treibt. Und als hätte FLOAT so etwas vorausgesehen, sieht man nach dem Öffnen ihres Booklets die Zeichnung eines blutenden Elefanten.
„Wasser predigen und Wein saufen!“, genau dieser Grundsatz wird auf „Dead End Street“ mit musikalischem Karacho von FLOAT angeprangert. Selten wichen sie in ihrer Musik bisher dermaßen auf brachiale Härte und krachige Rhythmen aus, um ihr Anliegen so lautstark wie nur möglich zu vertreten. Da kommt einem beim Hören durchaus der frühe, damals noch wütende EDDIE VEDDER in den Sinn, als er mit seiner Band PEARL JAM beispielsweise auf „Ten“ hart rockend Anklage erhob, egal ob es um einen Amoklauf in einer Schule (Jeremy) oder eine in Scheinheiligkeit versunkene Gesellschaft ging. Verblüfft stelle ich nun fest, wie sehr plötzlich die Musik von „Ten“ der von „Dead End Street“ ähnelt. Kein Wunder, denn nur so bekommen die textlichen Botschaften auch ihre Wirkung.
Dabei fängt alles so ruhig und harmonisch an. „Indian Commandments“ eröffnet das Album mit einer akustischen Gitarre. Der ausgezeichnete Sänger MARCUS (Der natürlich nichts mit dem NDW-Schlager „Kleine Taschenlampe brenn'“ zu tun hat!) trägt mit verträumt wirkender Stimme die „indianischen Gebote“ vor, die den Respekt im Umgang des Menschen mit der Natur einfordern und den „Großen Geist“, der der Natur innewohnt, heraufbeschwören: „Take full responsibility for your actions / All times.“
Ja, wie schön es doch wäre, wenn das alle von uns so sähen und Verantwortung übernähmen. Doch viel zu viele tragen wohl einen kleinen Juan Carlos in sich, sodass uns „Cunning Man“ dann brutal wachrüttelt. Denn dieser „ehrliche Mann“ spielt im Verborgenen Krieg und sein Grundsatz lautet: „With passion I will lie to you / To get what I choose / I know that you believe in me / 'Cause you're not the cruel!“ Unser aller Gutgläubigkeit verleiht solchen Menschen ihre Kraft und den Einfluss, den sie benötigen, um gewissenlos alles zu zerstören, was ihnen nicht nutzt oder sie sogar gefährdet. In diesem Sinne geht auch die Musik schlagartig über Leichen und bricht mit der ruhigen, besänftigenden Stimmung des ersten Songs. Folkrock trifft auf metallische Gitarren und Hardrock! Ein Titel, der Wirkung hinterlässt. Erste Erkenntnis: Dieses Album verfolgt ein eindeutiges Konzept im Interesse derjenigen, die sich nicht wehren können - durch den Menschen bedrohte Menschen & Tiere. Und wenn dann „Secret Of A Liar“ oder „Friendship Overload“ offenbart, dass die Heiligen wohl aus der Hölle kommen und das musikalisch sogar Erinnerungen an den finsteren Zeitgenossen NICK CAVE („Murder Ballads“) wach ruft, werden die Erwartungen an „Dead End Street“ immer höher geschraubt. Leider können sie diese nicht in jeder Beziehung erfüllen, aber größtenteils auf jeden Fall!
Natürlich gibt es auch auf diesem Album wieder deutliche Bezugspunkte zu THE BOOMERS („Twilight“ und „Same Old Voices“), genauso wie Balladen („I Had A Girl“ und „Broken Dreams“), aber auch immer wieder die harten, bisher von FLOAT ungewohnten Einlagen („Free The Monkey“, „Streets Of Love“ und „Blood And Ashes“), die einem ihre Anklage um die Ohren schleudern!
Wie wohl bei jedem FLOAT-Album verstecken sich auch wahrhaft musikalische Perlen auf dem Album, deren wundervolle Melodien in Kombination mit leidenschaftlichem Gesang eine echte Ausnahmestellung in unserer musikalisch so schnelllebigen Zeit darstellen. Man höre nur einmal „River And The Moon“, eingeleitet von dem kurzen Instrumental „MoonCry“, und bewundere die hymnische Aura dieses Songs.
Todtraurig und damit fast exemplarisch klingt „Dead End Street“ mit „The Knight“ aus: „Preserve your feelings of freedom / The holy light in your eyes / Be aware of the fire of power / 'Cause dark fire destroys ourselves.“ Ein Album, das nichts Zerstörerisches, dafür aber das Gefühl musikalischer und textlicher Freiheit sowie des „heiligen Geistes“ (Nicht Gottes!) in sich trägt!
FAZIT:
„Dead End Street“ ist ein Album voller Botschaften, ohne den belehrenden Zeigefinger, dafür aber eindeutige Anklage zu erheben.
„Dead End Street“ ist ein musikalischer Freistil zwischen Folk, Rock, Pop, Alternative, etwas Psychedelic und ungewöhnlich viel Härte, der gekonnt und ohne überflüssiges Beiwerk in einem konzeptionell sehr spannenden Album ausgelebt wird.
PS:
Liebe WWF,
tretet den genesenen Juan Carlos in seinen königlichen Arsch und hört dabei „Dead End Street!“
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2012
Wolfram Herz
Marcus Tautz
Marcel Hug, Nicolai Ahl, Marcus Tautz
Marcus Tautz, Nicolai Ahl (Drum Programming)
Eigenvertrieb
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23.03.2012