Kennt noch jemand ASPHALT BALLET? Ich schon, denn die Amis haben vor 20 Jahren mit ihrem Debüt eine verkannte Sleaze-Blues-Southern-Dirty-Hardrock-Scheibe veröffentlicht, die auch heute noch gerne mal für die passende Hintergrundbeschallung beim sommerlichen Barbecue in meinem Player landet. Wer etwa LITTLE CAESAR mag, der mag auch ASPHALT BALLET. Vielleicht klingelt es noch bei dem ein oder anderen, wenn er den kleinen Hit "Soul Survive" mal wieder hört, der damals auch auf MTV lief.
Dass beim Quintett aus San Diego damals ein Mann namens GARY JEFFRIES das Mikrofon gewürgt hat, war mir allerdings nicht mehr bewusst, als mich Hörproben auf dessen Soloalbum neugierig gemacht haben. Erst der Promo-Flyer brachte diesbezüglich Licht ins Dunkle. Aber eingefleischten Southern-Rock-Anhängern, auf deren Terrain sich Mr. Jeffries schon seit Jahren bewegt, ist sein Name sicherlich durch seine spätere Band ALLIGATOR STEW ein Begriff.
Was der Schlaghosen- und Stetson-Träger auf seinem ersten Solo-Album, das letztes Jahr bereits als Eigenproduktion erschien und jetzt bei uns über Just For Kicks Music erhältlich ist, abliefert, ist dann auch genau der Stoff, der jedem Fan von LYNYRD SKYNYRD, MOLLY HATCHET und BLACKFOOT das Herz aufgehen lässt. Prall gefüllt mit Lead-, Slide- und Akustikgitarren, versetzt mit Mundharmonika und diversen Hammondorgeln und an der passenden Stelle mal ein zünftiger Honky-Tonk-Stampfer mit Saloon-Piano ("Know Ya Too Well"), deckt er mit dem ausfallfreien Dutzend auf "Middle Class Man" das komplette Spektrum ab.
Obwohl es sich bei dieser musikalischen Widmung für den einfachen Mann und die Mittelschicht größtenteils um Neueinspielungen alter Songs aus den verschiedenen Schaffensphasen von Jeffries handelt, darunter auch "Heaven Winds Blow" und "Blood On The Highway" vom ASPHALT BALLET-Debüt, klingt das alles ausgesprochen frisch und intensiv. Selbst CCRs "Bad Moon Rising" wirkt hier nicht zu abgewetzt. Man kann diesen Song halt auch immer hören, zumal GARY JEFFRIES eine entspannte Country-Version daraus gemacht hat.
"Middle Class Man" bietet reichlich Gefühle - die ganz großen bei den traurigen Balladen "Flowers On My Grave" und "Free In Heaven" - und noch mehr Seele. Der Schlüssel dazu und sowieso das Beeindruckendste an der Scheibe ist der Gesang, denn was GARY JEFFRIES aus seiner Kehle rausholt, ist wahrlich mitreißend. Er hat einfach eine geile, raue Stimme, die ins Mark geht. Sein kraftvolles Organ erinnert mich bei Songs wie dem schwunghaften Opener "Free" oder "Flowers On My Grave" öfter mal an Dave Kincaid von THE BRANDOS, ist aber bald noch markanter und macht die Musik so nahrhaft wie dicke Bohnen mit Speck.
FAZIT: Southern Rock, so knackig, wie ein Eiswürfel nach dem Eintauchen im warmen Bourbonglas. Very Cool.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.04.2012
Steve Fletcher
Gary Jeffries
Gary Jeffries, John Goodwin
Randy Trent
Eigenproduktion/Just For Kicks Music
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13.04.2012