Huch, ein Déjà-vu: „Father Son“, der Opener dieses Konzeptalbums gestandener Musiker aus dem Raum Enschede, lässt in seiner Eleganz erahnen, wie JESTER'S MARCH heute klingen könnten, existierten sie noch, denn an deren „Believe“ erinnern die einleitenden Akkorde unweigerlich. Erik Masselink wiederum hat eine verträglichere Stimme, ist also genauso wenig eine Heulboje, wie sich seine Hintermannschaft auf metallischen Anachronismus versteht; schließlich entwerfen GATE 6 hier eine Dystopie, in deren Rahmen das Internet den Menschen unterwirft.
Die Niederländer haben sich wie im Falle des Sängers bei SYMMETRY, den Thrashern MYSTREZ und den ebenfalls tollen THE BARSTOOL PHILOSOPHERS verdingt. Auf „God Machiens“ frönen sie dem progressiven Melodic Metal, wie er zur Zeit, da mit harten Gitarren wenig zu reißen war, von Bands wie DIGITAL RUIN, THE QUIET ROOM und wie sie alle hießen im Untergrund warmgehalten wurde. Auch GATE 6 verstehen sich auf fließende Kompositionen mit relativ zeitgenössisch (elektronisch) klingenden Keyboards, die eher flächig eingesetzt werden als virtuos. Gleichsam ergibt sich das progressive Moment vielmehr aus dem nachdenklichen Sujet sowie der narrativen Anmutung der Stücke, die das alte Strophe-Refrain-Prinzip folglich nicht sklavisch verfolgen (wenn, dann so effektiv wie in der existenziellen Klavierballade „I Am“), als aus etwaigem Hochleistungssport an den Instrumenten.
So erinnert das Titelstück beispielsweise an die jüngste BELIEVER-Scheibe „Transhuman“, und dass die Tracks teilweise ineinander übergehenden, kennt man nicht nur von VAUXDVIHLs „To Dimension Logic“. Dem schwelgerischen Charakter der Australier wird Fronter Erik besonders während „My Warning“ gerecht – mit einer Stimme irgendwo zwischen Fish („Man To Be“ könnte hingegen von den neueren MARILLION stammen) und Ray Alder, falls dies Sinn ergibt. Ab diesem Punkt wird „God Machines“ auch leichter zugänglich, denn die Story, umschrieben durch assoziative Texte, nimmt zusehends an Fahrt auf. „Casualties Of War“ und „It's Over“ schwanken zwischen Drum-Loops beziehungsweise Piano-Versen und einem lauten Widerhaken-Motiv.
In „Killing Me“ klingen die synthetischen RUSH bis zu den frühen Neunzigern an, aber auch die Mittelphase von FATES WARNING, deren Mark Zonder Drummer Kuipers aufmerksam studiert haben dürfte. Als spätes Highlight erweist sich das elegische „Turn The Page“, in dem die Medienkritik anklingt, mit der Warrel Dane vor auch schon wieder 13 Jahren sein „Poison Godmachine“ verbrämte. Brutal hart wird dieses Quintett jedoch niemals, auch nicht im Hoffnung machenden Abschluss „Voices“, der direkter antreibt als das Gros dieses akustischen Sci-Fi-Films.
Bei allen Anklängen, durch die hier ein Pastiche-Eindruck entstehen mag, sollten die Eigenkennung und das Schreibvermögen von GATE 6 nicht unter den Tisch gekehrt werden: „God Machines“ ist eine der heuer zu selten erscheinenden Scheiben, in die man sich vertiefen kann, um belohnt zu werden – mit zeitlosem Rock bis Metal eingedenk relevanter Inhalte.
FAZIT: Letzten Endes sind GATE 6 mit ihrem „traditionellen“ Prog doch irgendwie retrospektiv: „God Machines“ regt zum Grübeln an und verzückt musikalisch durch ein gedrungene, warm inszenierte Zusammenstellung stimmungsvoller Songs im Geiste von … na ja, ihr wisst es nach dem Lesen dieser Kritik.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.11.2012
Jacques Suurmond
Erik Masselink
Tony De Wolde
Jan Koster
Martin Kuipers
Eigenvertrieb
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12.10.2012