Oh, was war das doch für eine Hoffnung!!!!
Der Typ, den einstmals STEFAN RAAB entdeckte und der sich hinter STEFANIE HEINZMANN bei einer der vielen idiotischen TV-Musik-Ausscheide geschlagen geben musste, schreibt tatsächlich Kochbücher! Dann wird er jetzt endlich ein echt heißer Feger, der nur noch über Gas, aber nicht überm CD-Player, kocht und der Hausfrauenwelt das Geheimnis seiner Rezepte samt dem passenden Wein dazu verrät und ihnen ein wenig den Reiz der würzigen „Geylheit“ eines Meyle-Auflaufs mit entsprechender Promillezahl vermittelt. Überhaupt sind Kochrezepte ja ziemlich einfach strukturiert und „Mann“ muss keine lyrisch-literarischen Meisterleistungen vollbringen, um Anderen mitzuteilen, wen oder was man gerade in die Pfanne haut.
Ganz anders sieht das natürlich aus, wenn dieser nette Hausfrauen-Typ Lieder schreibt und diese genauso interpretiert, als hätte er bei LAITH AL-DEEN oder JUPITER JONES alle übriggebliebenen Ideen geklaut, ohne zu wissen, dass die solchen Kram sowieso nie auf einer CD veröffentlichen wollten. Und um besonders clever zu wirken, wird musikalisch natürlich nicht gestümpert, sondern gnadenlos auf der Welle mitgeschwommen, die jede Menge Grammys abräumte, als NORAH JONES mit solchem Bar-Jazz-Pop noch der echte Bringer war. Darum darf es bei „Wunder“ ruhig mal so richtig swingen und dazu gibt’s dann auch noch einen Text, der phonetisch und inhaltlich nicht nur miserabel, sondern sogar peinlich ist. Bei einem genaueren Blick wird wohl auch ein weiterer Schuldiger für dieses Machwerk mit ausgemacht: EDO ZANKI hat „Wunder“ produziert. Da passt der Topf auf den Deckel, um mal bei Kochbüchern zu bleiben.
Auf „Meile für Meyle“ trällert GREGOR MEYLE mit seiner ewig gleichen nasalen, leicht kratzigen und durchaus reizvollen Stimme seine größtenteils ruhigen Lieder, die laut eigener Aussage alle einen persönlichen Bezug haben. Da bekommen dann die Pessimisten auf „Keine Macht den Pessimisten!“ getreu dem ollen Heuss folgend („Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“), so richtig ihr Fett weg, auch wenn MEYLE gar nicht zu wissen scheint, was sich hinter dem Begriff Pessimismus verbirgt, indem er sie als depressive Besserwisser „mit dem Revolver unterm Kissen“ darstellt. Irrtum, lieber Gregor, die Pessimisten sind zwar Schwarzseher, aber keine Besserwisser. Das sollte doch ein Optimist wie du wissen, oder? Da halte ich es lieber mit dem Zitat von Peter Bamm: „Nur Pessimisten schmieden das Eisen, so lange es heiß ist. Die Optimisten vertrauen darauf, dass es nicht erkaltet.“
Vielleicht hätte ja gerade ein wenig mehr Pessimismus dem Album gut getan.
Vielleicht wären die Texte dann ja auch etwas erträglicher geworden, statt mit unsauberen Reimen im Schüttelstil solch sinnige Botschaften zu verbreiten, wie „Sehnsucht ist Fluch und Segen zugleich / Nur selten beruhigt einen Zufriedenheit.“ (So lang ich dran glaube) oder „Schau mal nach oben / Du siehst schön aus im Licht / Tränen sind verboten / In deinem hübschen Gesicht.“ (Steh wieder auf!) oder „Ganz vielen Menschen geht’s schlechter als dir / Und dein Fall ist 'n Luxusproblem / Wenn du ganz fest dran glaubst / Wird aus 'ner 5 noch 'ne 4.“ (Wunder) … Diese Logik sollte ein Herr Meyle mal einem Schüler erklären, dessen Zeugnis nicht ganz so klangvoll wie diese meylenweit von der Realität entfernten Schüttelreimchen sind.
Bei solchen Zeilen kommt durchaus der Wunsch auf, dass GREGOR MEYLE lieber seine Kochrezepte vertont hätte. Vielleicht wäre das ja eine gute Idee für's nächste Album: „GourMEYLE singt!“ „Meile für Meyle“ ist jedenfalls nichts für musikalische Feinschmecker, denen guten Texte und Musik, die hängen bleibt, am Herzen liegen. Hier wird eher der Bauch als der Kopf bedient.
FAZIT: Auch wenn man in seinem Namen ein MEY hat, muss man noch lange nicht auch dessen Begabung besitzen, richtig gute Texte zu schreiben und vorzutragen, wie man es von REINHARD gewohnt ist. MEYLE ist meylenweit von MEY entfernt und von einem GröneMEYer wollen wir erst gar nicht reden. „Meile für Meyle“ ist Musik für diejenigen, die noch immer glauben, dass Stars in Castingshows entdeckt werden und solche Leute wie STEFAN RAAB oder DIETER BOHLEN die wegbereitende Ausgeburt guten musikalischen Geschmacks sind.
PS:
Das Gelungenste an dem Album ist noch das Cover, welches erstmals nicht den Musiker, sondern ein Landschaftsmotiv zeigt. Auf der Rückseite darf man dann wieder Herrn Meyle mit Hut bewundern, der ein wenig wie ein Laubenpieper wirkt, welcher mit nachdenklichem Blick darüber grübelt, ob er seine Parzelle vergrößern oder besser ein Gartenbuch schreiben sollte.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.05.2012
Christian Lohr, Dominik Krämer
Gregor Meyle
Gregor Meyle, Markus Segschneider, Jake Roeder
Christian Lohr
Christian Lohr, Massimo Buonanno
Christian Herzberger (Geige & Viola), SWR Bigband (auf "Wunder")
M2 Meylemusic
40:13
10.05.2012