Wenn es einer jungen Truppe von Anfang an gelingt, mächtig Staub aufzuwirbeln und mit den ersten beiden Alben zum Hoffnungsträger eines Genres zu werden, ist es äußerst ärgerlich, wenn ihr der wirklich gute Sänger abhandenkommt - aus welchen Gründen auch immer Kenny Leckremo das Mikrofon bei H.E.A.T abgegeben hat. Aber den schwedischen Jünglingen ist es tatsächlich gelungen, aus der Not eine Tugend zu machen, indem sie sich Erik Grönwall geschnappt haben. Dieser hat vor drei Jahren den "Swedish Idol"-Kontest gewonnen, dem dortigen Pendant zu DSDS, und ist in seiner Heimat ziemlich populär, wodurch die Band jetzt zumindest dort sicherlich schon mal einen zusätzlichen Schub erhält. Wenn man sich bei YouTube übrigens mal anschaut, wie Grönwall bei dieser Show u.a. Songs von IRON MAIDEN, SKID ROW und KISS zum Besten gegeben und sich damit durchgesetzt hat, weiß man nicht nur schon mal, mit wem man es jetzt bei H.E.A.T. zu tun hat, sondern auch, dass man dieser ganzen Casting-Kacke tatsächlich noch was Positives abgewinnen kann.
Die Band scheint sich über ihre neuen Möglichkeiten auch voll im Klaren zu sein. Mit "Breaking The Silence" legt sie selbstbewusst los, als wollte sie mal kurz BON JOVI von der großen New-Jersey-Bühne vertreiben (wo die eventuell gerade "Lay Your Hands On Me" zum Besten geben). Scheinbar ein wagemutiges Unterfangen, aber tatsächlich ist der Song bereits ein dicker 80er-Jahre-Stadionrocker feinster Couleur, und auch in der Folge bohrt der Sechser absolut keine dünnen Bretter. Das mit breitem Keyboard startende "Living On The Run", das gitarrenorientierte "Falling Down" oder das wuchtige "Better Off Alone" sind allesamt gestandene und ausgereifte Melodic-Hardrocker mit enormem Hitpotenzial, die bei aller Leichtfüßigkeit stets mit dem nötigen Unterbau versehen sind und nie zu schmalzig oder klischeehaft wirken. Und wenn es einer Band gelingt, selbst bei solchen Schnulzen wie "The One And Only" und "In And Out Of Trouble" (bei dem man nur beim Saxophon-Einsatz vielleicht mal kurz denken könnte, jetzt tragen sie aber doch zu dick auf) nicht aufgesetzt zu klingen, ist das einfach hohe AOR-Kunst. Unterstützt von unzähligen Gruppengesängen passt der neue Sänger dabei übrigens perfekt, und macht seinen Vorgänger tatsächlich vergessen, wer hätte das gedacht.
Selbst wenn die Reminiszenzen noch größer werden, wie bei "Heartbreaker", mit dem sie noch mal beim großen Bruder Jon um Audienz bitten, bei "It’s All About Tonight", einem Smasher im DEF LEPPARD-Stil, der bei der Zielgruppe ebenfalls für ordentlich Durchblutung sorgen wird, oder beim sich vor MAGNUM verbeugenden "Downtown": H.E.A.T laufen nie Gefahr, zum Abziehbild zu werden, sie machen aus ihren Einflüssen schlicht ihre eigenen Hymnen und Hits. Sagte ich schon? Na und ob!
FAZIT: Die neu aufgestellten H.E.A.T sind die ersten Etappensieger in der laufenden Melodic-Rock-Saison und dürfen jetzt endgültig im Kreis der Großen mitspielen. Beim Warten auf besseres Wetter mixe ich mir schon mal heimlich einen Caipirinha und gebe völlig nostalgische 12 Punkte.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.03.2012
Jimmy Jay
Erik Grönwall
Dave Dalone, Eric Rivers
Jona Tee
Crash
earMUSIC/Edel
42:31
23.03.2012