<b>„I don't feel like it anymore! Maybe I'll see you around.“</b>
(Ich habe keine Lust mehr! Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.)
Dies war die letzte Botschaft von HERMAN BROOD, als er, von Drogen und Alkohol zerstört und der x-ten Entziehungskur leid, am 11. Juli 2001 vom Dach des Amsterdamer Hilton-Hotels in den Tod sprang. Diese Zeilen waren die letzte Hinterlassenschaft eines 54jährigen, hoch begabten Künstlers. Und sicher war dieses „Man sieht sich!“ von ihm anders gemeint als das, was wir nunmehr von ihm sehen können.
Aus Anlass seines zehnten Todestages erblickt erstmals dieser Rockpalast-Konzertmitschnitt (in Stereo-Ton und typischer Rockpalast-Kameraführung, natürlich im Format 4:3) das Licht der Welt, das den Holländer zum einen als 31jährigen 1978 im Dortmunder Rockpalast und zum anderen als 43jährigen im Kölner Rockpalast präsentiert. Ein Mann, der nicht nur Musiker, sondern auch Maler war und seine Abhängigkeit in seinen Liedern und Bildern zu verarbeiten suchte. „Dope Sucks“ oder „Rock'N'Roll Junkie“ sprechen diesbezüglich Bände und sind in ihrer Liveaufführung sogar in beiden Konzertmitschnitten zu bewundern. Besonders interessant ist dabei, dass BROOD 1978 mitten in dem Song „Dope Sucks“ auf deutsch stammelnd dem Publikum mitteilt: „Ich möchte mal erklären, dass Rauschgift sehr altmodisch ist. Dagegen ist besser ein einfaches 'Spaßwasser'!“ Egal, wofür sich HERMAN BROOD auch schlussendlich entschied, am Ende stand sein Freiflug vom Amsterdamer Hilton in Richtung ewige Jagdgründe, die auch ohne Kicherwasser funktionieren. Noch heute gilt er als „The Netherland's Greatest And Only Rock'N'Roll Star“ und die DVD legt davon ein überwältigendes Zeugnis ab, wobei auch seine Band WILD ROMANCE maßgeblich mit beiträgt.
Besonders im 78er Konzert hinterlässt HERMAN BROOD einen etwas angegriffenen, fahrigen Eindruck, bei dem er anfangs nicht nur seine Einsätze verpasst, sondern bei „Pourin' It All Out“ auch während des Gesangs sein Mikro fallen lässt. Doch nach und nach scheint er immer mehr in Form zu kommen und sogar sein wildes Piano-Spiel, bei dem er sogar vor CHUCK BERRYs „Rock'N'Roll Music“ nicht halt macht, ist schwer beeindruckend. Hier singt einer tatsächlich nicht nur von „Drugs And Rock'N'Roll“, sondern lebt dies auch auf der Bühne aus. Ein Kracher folgt dem nächsten bis zum unerbittlichen Ende des gerade mal einstündigen Auftritts. Rock'N'Roll pur eben!
12 Jahre später ist die Band eine völlig andere, auch wenn sie nach wie vor aus Gitarre, Bass, Schlagzeug, Piano und Gesang besteht. Zusätzlich dürfen noch zwei Damen im Background mitwirken und ihre wilden Tänze veranstalten. Auch gibt es bis auf die bereits besagten Drogen-Songs kaum Titelüberschneidungen zum früheren Rockpalast-Auftritt. Dafür bietet BROOD allerdings im gänzlichen Gegensatz zum anderen Konzert über zwei Drittel gecoverte Titel in seinem Repertoire an. Und auch die beiden Sängerinnen im Glitzer-Mini-Röckchen bekommen viele Entfaltungsmöglichkeiten, wobei besonders das Duett zwischen BROOD & LIES SCHILP von „It's You“ durch die hervorragende weibliche Gesangsleistung hervorsticht. Selbst das „HuHuHuHu“ bei „What Becomes Of The Broken Hearted“ driftet keine Sekunde in Peinlichkeit ab. Auch wenn 11 Jahre später das gebrochene BROOD-Herz auf irgendeiner Straße vorm Amsterdamer Hilton rumlag.
FAZIT: Vielleicht werden sich einige der Leser fragen, warum ich gerade bei der Besprechung dieser beiden Rockpalast-Auftritte von HERMAN BROOD so oft seinen Selbstmord thematisiert habe. Die Antwort ist ganz einfach und liegt auf der Rückseite der DVD und in den umfangreichen, leider nur auf Englisch nachlesbaren, Informationen des Booklets (die ich hier mal in freier Übersetzung wiedergeben möchte) verborgen: „Sein ganzes Leben lang war HERMAN BROOD einer der wenigen echten holländischen Rockmusiker, der nicht nur bis an seine Grenzen ging, sondern sie auch überschritt … Seine ergreifenden Live-Auftritte reflektieren nicht nur sein vielfältiges Talent als Musiker, sondern auch seine exzessive Lebenseinstellung … Hier kann man zum ersten Mal die Höhepunkte seiner Auftritte erleben, die aus Anlass seines 10. Todestages auf dieser DVD erscheinen.“ Ein wahres Zeitdokument und das beeindruckende mediale Lebenszeichen eines Selbstmörders, der sich hiermit nahtlos in die Reihe all der Künstler, die selbst Hand an sich legten, einordnet. R.I.P. Mr. Brood!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.02.2012
Freddi Cavalli (1978) / Ivo Severijns (1990)
Herman Brood
Danny Lademacher (1978) / David Hollesteller Jr. (1990)
Herman Brood
Ani Meerman (1978) / Roy Bakker (1990)
Lies Schilp & Inge Bothond (1990 - Background Vocals)
MIG-Music
120:00
27.01.2012