Zurück

Reviews

Herman Brood & His Wild Romance: Live At Rockpalast 1978 + 1990

Stil: Selbstmörderischer Rock'N'Roll aus Holland

Cover: Herman Brood & His Wild Romance: Live At Rockpalast 1978 + 1990

<b>„I don't feel like it anymore! Maybe I'll see you around.“</b>
(Ich habe keine Lust mehr! Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.)

Dies war die letzte Botschaft von HERMAN BROOD, als er, von Drogen und Alkohol zerstört und der x-ten Entziehungskur leid, am 11. Juli 2001 vom Dach des Amsterdamer Hilton-Hotels in den Tod sprang. Diese Zeilen waren die letzte Hinterlassenschaft eines 54jährigen, hoch begabten Künstlers. Und sicher war dieses „Man sieht sich!“ von ihm anders gemeint als das, was wir nunmehr von ihm sehen können.

Aus Anlass seines zehnten Todestages erblickt erstmals dieser Rockpalast-Konzertmitschnitt (in Stereo-Ton und typischer Rockpalast-Kameraführung, natürlich im Format 4:3) das Licht der Welt, das den Holländer zum einen als 31jährigen 1978 im Dortmunder Rockpalast und zum anderen als 43jährigen im Kölner Rockpalast präsentiert. Ein Mann, der nicht nur Musiker, sondern auch Maler war und seine Abhängigkeit in seinen Liedern und Bildern zu verarbeiten suchte. „Dope Sucks“ oder „Rock'N'Roll Junkie“ sprechen diesbezüglich Bände und sind in ihrer Liveaufführung sogar in beiden Konzertmitschnitten zu bewundern. Besonders interessant ist dabei, dass BROOD 1978 mitten in dem Song „Dope Sucks“ auf deutsch stammelnd dem Publikum mitteilt: „Ich möchte mal erklären, dass Rauschgift sehr altmodisch ist. Dagegen ist besser ein einfaches 'Spaßwasser'!“ Egal, wofür sich HERMAN BROOD auch schlussendlich entschied, am Ende stand sein Freiflug vom Amsterdamer Hilton in Richtung ewige Jagdgründe, die auch ohne Kicherwasser funktionieren. Noch heute gilt er als „The Netherland's Greatest And Only Rock'N'Roll Star“ und die DVD legt davon ein überwältigendes Zeugnis ab, wobei auch seine Band WILD ROMANCE maßgeblich mit beiträgt.

Besonders im 78er Konzert hinterlässt HERMAN BROOD einen etwas angegriffenen, fahrigen Eindruck, bei dem er anfangs nicht nur seine Einsätze verpasst, sondern bei „Pourin' It All Out“ auch während des Gesangs sein Mikro fallen lässt. Doch nach und nach scheint er immer mehr in Form zu kommen und sogar sein wildes Piano-Spiel, bei dem er sogar vor CHUCK BERRYs „Rock'N'Roll Music“ nicht halt macht, ist schwer beeindruckend. Hier singt einer tatsächlich nicht nur von „Drugs And Rock'N'Roll“, sondern lebt dies auch auf der Bühne aus. Ein Kracher folgt dem nächsten bis zum unerbittlichen Ende des gerade mal einstündigen Auftritts. Rock'N'Roll pur eben!

12 Jahre später ist die Band eine völlig andere, auch wenn sie nach wie vor aus Gitarre, Bass, Schlagzeug, Piano und Gesang besteht. Zusätzlich dürfen noch zwei Damen im Background mitwirken und ihre wilden Tänze veranstalten. Auch gibt es bis auf die bereits besagten Drogen-Songs kaum Titelüberschneidungen zum früheren Rockpalast-Auftritt. Dafür bietet BROOD allerdings im gänzlichen Gegensatz zum anderen Konzert über zwei Drittel gecoverte Titel in seinem Repertoire an. Und auch die beiden Sängerinnen im Glitzer-Mini-Röckchen bekommen viele Entfaltungsmöglichkeiten, wobei besonders das Duett zwischen BROOD & LIES SCHILP von „It's You“ durch die hervorragende weibliche Gesangsleistung hervorsticht. Selbst das „HuHuHuHu“ bei „What Becomes Of The Broken Hearted“ driftet keine Sekunde in Peinlichkeit ab. Auch wenn 11 Jahre später das gebrochene BROOD-Herz auf irgendeiner Straße vorm Amsterdamer Hilton rumlag.

FAZIT: Vielleicht werden sich einige der Leser fragen, warum ich gerade bei der Besprechung dieser beiden Rockpalast-Auftritte von HERMAN BROOD so oft seinen Selbstmord thematisiert habe. Die Antwort ist ganz einfach und liegt auf der Rückseite der DVD und in den umfangreichen, leider nur auf Englisch nachlesbaren, Informationen des Booklets (die ich hier mal in freier Übersetzung wiedergeben möchte) verborgen: „Sein ganzes Leben lang war HERMAN BROOD einer der wenigen echten holländischen Rockmusiker, der nicht nur bis an seine Grenzen ging, sondern sie auch überschritt … Seine ergreifenden Live-Auftritte reflektieren nicht nur sein vielfältiges Talent als Musiker, sondern auch seine exzessive Lebenseinstellung … Hier kann man zum ersten Mal die Höhepunkte seiner Auftritte erleben, die aus Anlass seines 10. Todestages auf dieser DVD erscheinen.“ Ein wahres Zeitdokument und das beeindruckende mediale Lebenszeichen eines Selbstmörders, der sich hiermit nahtlos in die Reihe all der Künstler, die selbst Hand an sich legten, einordnet. R.I.P. Mr. Brood!

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.02.2012

Tracklist

  1. Westfalenhalle Dortmund, Germany, December 9th 1978
  2. Hit
  3. Pourin' It All Out
  4. Too Slow
  5. Street
  6. Still Believe
  7. Rock'N'Roll Junkie
  8. Lost
  9. Waiting For My Man
  10. Back In Your Love
  11. Saturday Night
  12. Doreen
  13. Doin' It
  14. Dope Sucks / Hot Talk
  15. Turn It On
  16. One More Dose
  17. Speedo
  18. Phony
  19. Pop
  20. True Fine Mama
  21. Prisoners
  22. Skid Row
  23. Never Enough
  24. Blue
  25. Can't Stand It
  26. Live Music Hall Cologne, Germany, December 11th 1990
  27. Blue Ice Moon
  28. Will You Still Love Me Tomorrow
  29. It Ain't The Gun
  30. Crackin' Up
  31. It's You
  32. Home
  33. Beefin' It Up
  34. Dope Sucks
  35. The Talkin'
  36. Da Doo Ron Ron
  37. Cripple Without You
  38. Rock'N'Roll Junkie
  39. What Becomes Of The Broken Hearted
  40. Heatwave
  41. Cut Me Loose
  42. Somethin' Else
  43. Legal In Amsterdam
  44. Hit

Besetzung

  • Bass

    Freddi Cavalli (1978) / Ivo Severijns (1990)

  • Gesang

    Herman Brood

  • Gitarre

    Danny Lademacher (1978) / David Hollesteller Jr. (1990)

  • Keys

    Herman Brood

  • Schlagzeug

    Ani Meerman (1978) / Roy Bakker (1990)

  • Sonstiges

    Lies Schilp & Inge Bothond (1990 - Background Vocals)

Sonstiges

  • Label

    MIG-Music

  • Spieldauer

    120:00

  • Erscheinungsdatum

    27.01.2012

© Musikreviews.de