Anfang 1982 muss es gewesen sein, als Sabina Classen bei den Proben der Band ihres Freundes Andy nicht mehr nur tatenlos zusehen, sondern aktiv ins Geschehen eingreifen durfte. Anders lässt sich das Album zum 30sten Geburtstag von HOLY MOSES nicht erklären, denn Aachens schnellste Schülerband gibt es offiziell bereits seit 1980. Nachdem sich aber die zahlreichen Mitglieder im Laufe der Zeit in alle Winde zerstreut haben, bleibt es der Frontfrau als konstantem Faktor der Band vorbehalten, die Feierlichkeiten zu terminieren und mit viel Aufwand zu gestalten.
„In the Power of Now“ ist sozusagen ein taufrisches Best-of-Album, für das HOLY MOSES ihre persönlichen Top 20 der Bandgeschichte und zwei neue Stücke eingespielt haben. Auf dem Album wird zudem der neue Drummer Gerd Lücking eingearbeitet, wohingegen Gitarrist Michael Hankel seine Abschiedsvorstellung gibt und künftig andere Wege geht. Auf dem Doppeldecker finden, abgesehen vom letzten Album „Agony of Death“, alle Scheiben der Band Beachtung. Am stärksten sind natürlich Stücke von Alben aus der Hochphase der Gruppe wie „Finished with the Dogs“, „New Machine of Liechtenstein“ und „Reborn Dogs“ vertreten. Über die Auswahl kann man wie immer streiten, ich hätte lediglich noch „Current of Death“ mit drauf gepackt.
Ob sich der Aufwand gelohnt hat, wird die Band auch nach den Verkaufszahlen von „In the Power of Now“ beurteilen. Musikalisch gesehen würde ich sagen: kann man schon machen. Der Hauptunterschied liegt im Sound, der aktuell druckvoller und kompakter, im Stil von Neo-Thrashern wie DEW-SCENTED, daherkommt. Dass Frau Classen inzwischen mehr growlt als schreit, passt gut zu dieser Ausrichtung. An den Arrangements wurde dagegen nicht viel geändert. Die beiden neuen Songs „Borderland“ (abwechslungsreiche Uptemponummer mit Shout-Chorus) und „Entering the Now“ (Death-Thrasher mit feinem Gniedelsolo) fügen sich mit ihrem etwas moderneren Songwriting nahtlos ein.
FAZIT: HOLY MOSES' Geburtstags-Best-of verpasst den Klassikern durch die Neueinspielungen einen zeitgemäßen Sound und klingt so wie aus einem Guss. Das dürfte vor allem für Leute interessant sein, die modernere Klänge gewohnt sind und sich einen Überblick über das Wirken der Thrashlegende verschaffen wollen. Für Nostalgiker könnte gerade das abschreckend sein, denn damit ist auch der punkige (und irgendwie schon verdammt gute!) Klang der alten Produktionen verschwunden.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.04.2012
Thomas Neitsch
Sabina Classen
Michael Hankel, Oliver Jaath
Gerd Lücking
Steamhammer/SPV
83:09
20.04.2012